Interview

Andrew Garfield: «Es hat einfach nur genervt»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Gejuckt habe es, wird er über das berühmte Spinnenkostüm sagen. Und auch sonst spricht er Klartext: Andrew Garfield über Kunst, Karriere und Konkurrenz.

Andrew Garfield: «Es hat einfach nur genervt»

Sie sind in den USA geboren, aber in England aufgewachsen. Wann lief Ihnen Spider-Man zum ersten Mal über den Weg?

Mit drei. Spider-Man war mein allererstes Halloween-Kostüm.

Man hängt Ihrem Film gerne das Etikett «Reboot» an. Nervt das?

Überhaupt nicht. Ist ja kein Schimpfwort (lacht).

Aber kommt diese Neuauflage nicht zu früh? Sind ja noch keine zehn Jahre her seit Tobey Maguire.

Schon. Aber wie ist es denn bei James Bond? Wann ging Pierce Brosnan in Rente?

2002.

Und Daniel Craig kam?

2005.

Da liegen auch nur drei Jahre dazwischen.

Das lässt sich doch nicht vergleichen. Hier haben wir einfach einen neuen Cast für dieselbe Story.

Aber es ist auch kein Remake wie das von Funny Games (lacht). Es gibt natürlich ein ein paar Dinge, die in jeden Spider-Man-Film gehören. Spiderman wird immer Spider-Man heissen (lacht).

Was Sie wissen müssen: Ich bin ein echter Fan. Als ich erstmals von den Plänen für diesen Film hörte, war ich schon ganz aufgeregt. Ich dachte aber, ich wäre zu alt für einen Peter Parker, der noch zur Schule geht. Zum Glück haben das nicht alle so gesehen.

Und wieviel Spass hat's gemacht in der Schule?

Es hat extrem genervt. Ich hab's einfach nur gehasst.

Aus Ihrem Munde stammt die Forderung: «Es braucht mehr Künstler in der Politik.»

Ich habe wohl ein sehr kindliches Verständnis von Macht, und wie einen Macht korrumpiert, und ich habe die naive Theorie, dass Leute aus den falschen Gründen an die Macht wollen. Ich finde, dass die Kunst mehr Wertschätzung verdient und dass man sie ernster nehmen sollte.

Es gibt diesen Supertypen, eben hat mir jemand einen YouTube-Clip geschickt, der heisst, lassen Sie mich mal schauen, ob ich das auf die Schnelle finde (fingert auf seinem iPhone herum), ich kann ihn leider nicht finden, auch egal. Der Typ entwirft im Wesentlichen das Bild einer Gesellschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, um es nach oben zu schaffen. Dabei liegt doch etwas Wunderbares in der Vorstellung, man sei Teil eines Ganzen, statt ein Individuum, dem es nur um die eigenen Bedürfnisse geht.

Aber um auf Spider-Man zurückzukommen, und warum ich diese Figur so mag: Peter Parker musste ohne Vater aufwachsen, wird aber zum Vater einer ganzen Stadt. Nur wer wirklich gelitten hat weiss, was es bedeutet, wenn man niemanden hat, der einen beschützt.

Sehen Sie in Spider-Man mehr den Menschen oder den Superhelden?

Die Spannung zwischen diesen beiden Polen unterscheidet Spider-Man von anderen Superhelden. Spider-Man ist ein Teenager, er ist verletzlich, launisch, er macht Fehler. Mich hat er schon immer deshalb so angesprochen, weil er sehr menschlich ist.

Ich hatte eben das Vergnügen mit Rhys Ifans, der im Film den Bösewicht spielt. Nicht gerade leicht zu knacken, der Mann. Wie haben Sie das hingekriegt?

Ich liebe ihn. Er ist ein echter Künstler, dem wichtig ist, was er tut. Wie viele Schauspieler, mich eingeschlossen, hat er ein Problem damit, über das zu reden, was er tut. Er scheint es für eine Zeitverschwendung zu halten. Da kann man auch anderer Meinung sein. Als Schauspieler ist er unglaublich zugänglich, wir kamen prima miteinander klar.

Sie haben mal behauptet: «Jeder hat das Zeug dazu, alles zu können.» Was wären aus Ihnen geworden, wenn es mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte?

Ein Junkie? Was total anderes halt. In der Vorbereitung für Spider-Man habe ich Waisenhäuser besucht, ich wollte verstehen, was es bedeutet, ohne Eltern aufzuwachsen. Genau das mag ich an meinem Beruf: Dass ich diesen Dingen nachgehen kann und eine kleine Ahnung davon kriege, was das Mensch-Sein bedeutet, und wie zufällig und ungerecht es im Grunde ist. Wie glücklich können wir uns schätzen, dass wir uns hier in Mexiko unterhalten können und nicht irgendwo auf der Strasse sitzen?

Es jucke, sagten Sie über das berühmte Spinnenkostüm. War's echt so unangenehm?

Ja, das Teil hemmt dich einfach. Ich hatte mir vorgestellt, man fühle sich frei und anonym, darum geht's ja. Aber es war dann vor allem mühsam. Ich habe oft rumgemault deswegen.

Das Sequel scheint beschlossene Sache. Wie lange sind Sie noch jung genug für Spider-Man?

Keine Ahnung. Das entscheiden andere.

19. Juni 2012

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