Titanic USA 1997 – 194min.

Filmkritik

Am Ende wird sie untergehen

Filmkritik: Martin Glauser

Die westliche Kultur hat eine Schwäche für das Pathos grosser Unfälle. Seit Jesus Christus heroisieren wir die Niederlage, ringen ihr Tragik und Sinn ab. Der Film als Massenmedium versuchte dieser Vorliebe seit seinen Anfängen gerecht zu werden. Der erste Spielfilm über den Untergang der R.M.S. Titanic entstand 1912, genau einen Monat nach dem gleichnamigen Unglück.

Seither hat es ein gutes Dutzend davon gegeben, und jetzt schafft es Hollywood mit der teuersten Produktion aller Zeiten tatsächlich noch einmal, uns emotional in eine Havarie zu verwickeln, deren Ausgang jeder kennt. Wenn man sich in der ewig langen Minute nach der Sichtung des Eisbergs bei der bangen Hoffnung ertappt, die Kollision möchte vielleicht durch ein glückliches Manöver noch vermieden werden, - dann scheint James Camerons Rechnung aufgegangen zu sein.

Der Autor/Regisseur hatte uns 2 Stunden zuvor elegant - und reichlich selbtreferentiell - mittels einer Rahmenhandlung in die Titanic-Geschichte eingeführt: Moderne Schatzsucher fahnden mit Hi-Tech-Methoden im (tatsächlichen!) Wrack der Titanic nach Wertgegenständen, insbesondere nach einem 56karätigen Diamanten. Sie finden aber bloss die Zeichnung einer jungen Frau, die ebendiesen um den Hals trägt. Die 100jährige Lady, die sich als das damalige Aktmodell zu erkennen gibt, wird auf das Schiff geholt und beginnt der Crew ihre Geschichte und damit den eigentlichen Filmplot zu erzählen, eine Teenager-Romanze zwischen einem unglücklich verlobten Mädchen aus reichem Haus und dem jungen Maler und Glücksritter Jack. Rose versucht ihrem Schicksal über die Reling zu entfliehen, Jack rettet sie, zeigt ihr die wahre Liebe und das echte Leben im Dritteklasse-Deck und zieht sich den Zorn des Verlobten aus der Ersten Klasse zu. - Die Liebesgeschichte ist so schön, dass wirdarüber fast vergessen, auf welch fatalem Kahn sie stattfindet, und als der blöde Eisberg im Weg steht, sind wir fast so perplex und ungläubig wie die Passagiere.

Aber runter muss sie doch. Und wie! Die visuellen Effekte sind erstklassig und unbemerkbar, unsichtbar die Nahtstellen zwischen Modell-, Digital- und Real-Aufnahmen. Die brilliante Technik wird von einem gut ausbalanciertem Plot und soliden Performances getragen. Leonardo DiCaprio gibt mit seinem Jungencharme einen gewinnenden, vitalen, optimistischen (!) Jack Dawson, und Kate Winslet an seiner Seite wird von manchen als 'babe of the year' gefeiert.

Wir wollen nicht übertreiben. Ein Film-Epos von diesem Ausmass hat natürlich die künstlerische Manövrierbarkeit und den ideologischen Bremsweg eines sehr grossen Vehikels. Camerons Versuch etwa, ein kritisches Gesellschaftsbild des noch jungen Jahrhunderts zu zeichnen, muss ihm unter dem Gebot der einfachen Lesbarkeit zur Karrikatur geraten: Die aus der ersten Klasse sind alles Charakterlumpen, die unten in der dritten haben zunächst mehr Spass, dann (nach dem Eisberg) weniger als die oben, weil diese zuerst in die paar wenigen Rettungsboote steigen dürfen. Der Film lässt das Publikum darüber die Faust ballen, dass Überleben vom sozialen Status abhängen soll, gleichzeitig lässt er es aber einzig um seine beiden Hauptfiguren bangen, während es sich über das lustige Herunterpurzeln und Erfrieren der restlichen 1500 amüsiert bzw. foutiert. Was philosophische Brisanz und filmische Innovation anbelangt, bleibt "Titanic" gewiss in seichtem Gewässer. Aber, wer käme auch auf die Idee, den teuersten Film aller Zeiten für experimentelle Zwecke zu verwenden?

1984 konnte Cameron einen Terminator noch mit ganzen 6 Millionen abdrehen. Nach den Erfolgen von Aliens (1986), The Abyss (1989), Terminator 2 (1991) und True Lies (1994) durfte er nun mit Titanic die magische Show-off-Zahl der Branche auf 200 Millionen Dollar hochschrauben. Hohe Produktionskosten dienen heute als Verkaufsargument, aber das Resultat muss auch entsprechend mehrheitsfähig sein. Nach den bisherigen Box-Office-Zahlen zu schliessen, dürfte "Titanic" ökonomisch keinen Schiffbruch erleiden. Dass bei solchen Unternehmungen etwas anderes über Bord geht, ist unvermeidlich. Ich vermute, dass Cameron auch ein wenig sich selber meint, wenn er am Filmende den Boss der Schatzsucher-Crew (die eben auch mit enormen Kosten Profit aus dem alten Wrack holen will) sagen lässt: "For three years nothing's crossed my mind but Titanic, but it never got into me."

31.08.2011

3

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Kommentare

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dulik

vor 6 Jahren

Ohne Zweifel einer der Filme, die man gesehen haben muss. Dass James Cameron mit "Titanic" ein Meisterwerk gelungen ist, bestätigen nicht nur die zahlreichen Oscargewinne und die enormen Einnahmen, sondern auch der Wiedererkennungswert von sehr vielen Szenen und Zitaten. Zwar ist die Liebesgeschichte hin und wieder etwas kitschig, doch vor allem in der zweiten Hälfte kann das Drama mit packender Action aufblühen und fast restlos überzeugen. 9.5/10Mehr anzeigen


domidiebold

vor 9 Jahren

Gut gespielt und gut szeniert. Man fiebert mit und wird regelrecht Teilnehmer der Situation. Ich kann nicht genug bekommen. Für mich der beste Titanic-Film den es gibt


trakmaster

vor 9 Jahren

Schnulze bis zum Gehtnichtmehr!
Die Special-Effects sind 2 Sterne Wert.


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