Interview

Renée Zellweger: «Dass Frauen Macht und Einfluss haben können, war für mich immer selbstverständlich»

Patrick Heidmann
Interview: Patrick Heidmann

Nach 6 Jahren Hollywood-Abstinenz: Renée Zellweger über ihre Auszeit, die Gründe des Erfolgs von Bridget Jones und realitätsfremden Social Media.

Renée Zellweger: «Dass Frauen Macht und Einfluss haben können, war für mich immer selbstverständlich»

Sechs Jahre ist es her, dass Renée Zellweger bei uns im Kino zu sehen war, im Gruselthriller Fall 39 des deutschen Regisseurs Christian Alvart. Es folgte noch das Drama My Own Love Song, das es bei uns nie auf die Leinwand schaffte, anschließend zog sich die Schauspielerin erst einmal aus der Öffentlichkeit zurück. Dabei gehörte Zellweger nach ihrem großen Durchbruch an der Seite von Tom Cruise in der Komödie Jerry Maguire über viele Jahre zu Hollywoods größten und beliebtesten Stars: mit er Romanadaption Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück und deren Fortsetzung feierte sie Welterfolge, für Cold Mountain gewann sie den Oscar und mit dem Musical Chicago oder der Satire Nurse Betty begeisterte sie Publikum wie Kritiker gleichermaßen. Nun meldet sich die inzwischen 47-jährige Texanerin mit Bridget Jones's Baby zurück, für den sie zum dritten Mal in ihrer Paraderolle vor der Kamera stand. Cineman traf sie in ihrer Wahlheimat Los Angeles zum Interview, wenige Tage bevor sie in der Huffington Post einen viel beachteten Aufsatz über schamlose Spekulationen zu ihrem Aussehen veröffentlichte.

Renée Zellweger, es ist eine Weile her, dass Sie auf der Leinwand zu sehen waren. Haben Sie Ihre Auszeit von Hollywood genossen?

Oh ja, und wie. Ich habe unglaublich viel gelernt. Ich habe mich ja nicht einfach nur in ein Strandhaus zurückgezogen und sechs Jahre lang die Beine hoch gelegt. Sondern ich habe mich in anderen Bereichen der Filmbranche versucht, um zu sehen wo meine Talente und Interessen jenseits der Schauspielerei liegen. Unter anderem habe ich eine Fernsehserie entwickelt und die Pilotfolge auf den Weg gebracht, auch wenn es darüber am Ende dann nicht hinausging. Außerdem habe ich Kurse an der Uni besucht, mein Leben gelebt. Insgesamt kann man sagen: ich habe einige Versprechen eingelöst, die ich mir selbst vor langer Zeit gemacht hatte.

Das klingt sehr positiv. Warum hat es Sie nun überhaupt zurück vor die Kamera gezogen?

Es war an der Zeit, ich fühlte mich wieder bereit dazu. Ja, ich muss sogar sagen, dass ich die Schauspielerei irgendwann vermisst habe. Sie ist für mich ein Weg, mich kreativ auszudrücken, der mir viel bedeutet. Es ist mir manchmal unerklärlich, aber tatsächlich verspüre ich ein echtes Bedürfnis nach ihr. Als dann die Pläne für einen neuen Bridget Jones-Film konkreter wurden, war ich freudig aufgeregt. Daran merkte ich, dass meine Auszeit wohl zu einem Ende kommen würde.

Aller Freude zum Trotz: gab es auch einen Moment des Zögerns angesichts eines neuen Bridget Jones-Films nach all den Jahren?

Selbstverständlich. Man muss sich viel Mühe geben, wenn man sich einer Figur annimmt, die so vielen Menschen etwas bedeutet. Ich wollte sichergehen, dass wir wirklich etwas zu erzählen haben und nicht leichtfertig mit dieser Welt umgehen, die Helen Fielding geschaffen hat. Deswegen war es eine solche Freude, dass Helen am Drehbuch mitarbeitete. Sobald mir klar war, dass dieser Film und seine Geschichte Bridget absolut treu bleiben würden, waren meine Zweifel beseitigt.

Mussten Sie sich die Figur erst wieder erarbeiten oder waren Sie mit Bridget immer noch vertraut?

Irgendwie beides. Auch nach all den Jahren war mir die Rolle noch unglaublich vertraut, und letztlich waren meine Arbeit und die Vorbereitung nicht anders als bei den ersten beiden Filmen. Allerdings mussten wir natürlich einen Weg finden, zu zeigen, dass auch für Bridget eine ganze Menge Zeit vergangen war: in welcher Hinsicht sie sich verändert und weiterentwickelt hat – und vor allem in welcher nicht.

Was ist es eigentlich an dieser Figur, dass ein derart großes Publikum auf der ganzen Welt sich von ihr angesprochen fühlt?

Puh, sagen Sie es mir! Ich würde sagen, dass es vor allem ihre Fehler sind, durch die wir uns zu Ihr hingezogen fühlen. Dass Bridget nicht perfekt ist, dass sie unbeholfen sein kann und ihr peinliche Dinge passieren – damit können sich vermutlich alle identifizieren. Und dass sie sich bei all dem am Ende nie unterkriegen lässt, sondern immer wieder aufsteht, ist inspirierend. Gerade weil sie selten alle Ideale erfüllt, die sie sich selbst vorgibt, ist sie so authentisch.

Bridget Jones's Baby zeigt die Protagonistin aber nun als Frau, die auch in ihren Vierzigern noch begehrenswert ist und zwischen zwei Männern steht. Da sollte sicher auch gezielt eine positive Botschaft gesendet werden, oder?

Darüber habe ich ehrlich gesagt gar nicht nachgedacht. Zumindest während ich an dem Film arbeitete. Ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie vor Leben sprüht, gut aussieht und begehrenswert ist. Warum denn auch nicht? Ich persönlich habe jedenfalls auch immer versucht, mit diesem Selbstverständnis durchs Leben zu gehen.

Leichter gesagt als getan?

Ach, mal so, mal so. Insgesamt bin ich aufgewachsen mit dem Bewusstsein, dass jede Frau ihren eigenen Weg wählen kann, nicht gesellschaftlichen Zwängen entsprechen und nur ihre eigenen Erwartungen erfüllen muss. Daran habe ich mich immer orientiert und tue es bis heute. Dass Frauen Macht und Einfluss haben können, war für mich immer selbstverständlich, und aktuell sieht man ja in jüngeren Generationen, dass es immer mehr Frauen so geht. Von den Kämpfen und Schwierigkeiten, mit denen ihre Geschlechtsgenossinnen zu kämpfen hatten, wissen sie kaum noch etwas – und stellen nicht in Frage, dass sie tun und sagen können, was sie wollen. Mich freut es zu sehen, dass es immer weniger der Rede wert ist, wenn Frauen Drehbücher schreiben, sich um politische Ämter bewerben oder ähnliches.

Dennoch haben nicht zuletzt Sie selbst jüngst wieder erlebt, wie sehr gerade Frauen häufig über Äußerlichkeiten definiert werden...

Ich gebe mir große Mühe, das nicht so sehr an mich heranzulassen. Diese Kommodifizierung von Schauspielern; diese Geschichten, die geschrieben werden, um Auflagen in die Höhe zu treiben. Furchtbar und respektlos! So viel davon hat damit zu tun, jemanden klein zu machen. Aber wenn ich kann, ignoriere ich so etwas und tue im Idealfall so, als existiere dieses Phänomen gar nicht.

Was das angeht, hat sich der Ton gerade in der Unterhaltungsindustrie ganz schön verschärft in den Jahren Ihrer Auszeit. Haben Sie sich schon an die Existenz von Social Media gewöhnt?

Was das angeht, bin ich von gestern. Ich glaube, ich lernte gerade erst, was überhaupt Online-Foren sind, als der Rest der Welt sich schon auf Twitter tummelte. Aber mich interessiert all das nicht, deswegen findet man mich auch nicht in all diesen sozialen Netzwerken. Ich werde nie verstehen, warum ich mir die Meinung von wildfremden Menschen im Internet zu Herzen nehmen oder gar mein Leben danach ausrichten sollte.

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17. Oktober 2016

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