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«Das Fräulein» mit Gold geehrt

Pascal Blum
News: Pascal Blum

Offenbar hat sich auch die Jury des Filmfestivals in Locarno vom mantrahaft runtergeleierten Appell zur forcierten Promotion von Schweizer Filmen anstecken lassen: Der Goldene Leopard 2006 geht an «Das Fräulein» von Andrea Staka, Absolventin der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich.

«Das Fräulein» mit Gold geehrt

Der künstlerische Leiter Frédéric Maire erlitt am zweitletzten Abend bei der Anmoderation des abendlichen Piazzafilms einen Schwächeanfall und blieb unter ärztlicher Observation, so dass er die Preisverleihung am Fernsehen mitverfolgen würde, wie der Presse zuvor mitgeteilt wurde.

Das berührende Drama «Das Fräulein», produziert von «Snow White»-Filmer Samir, erzählt von drei Figuren aus Ex-Jugoslawien, die sich in der Schweiz mit unterschiedlichen Lebensstilen in die Quere kommt. Es war der einzige Schweizer Beitrag im Wettbewerb und wurde von der Kritik wegen der Emotionalität gelobt; einige machten aber auch Schwachstellen im Drehbuch aus.

Dieses Script hatte schon vorher zu reden gegeben: Die österreichische Regisseurin Barbara Albert hatte mitgeschrieben und trat deshalb vorzeitig aus der Locarno-Jury zurück. Möglich, dass die Restjury Albert auch ein wenig Rückendeckung geben wollte. Den Spezialpreis der Jury geht an das tolle amerikanische Freundschaftsdrama «Half Nelson», den Regiepreis erhält Laurent Achard für seine selten geschnittene Krankheitsbilderfolge «Le dernier des fous».

Beste Darstellerin wurde die junge Amber Tamblyn, die im amerikanischen Anklagedrama «Stephanie Daley» eine werdende Mutter in reaktionärem Umfeld spielt und die Jury wohl mit einer erschütternden Szene überzeugte, in der sie auf der Toilette lautlos ein Kind zur Welt bringt. Burghart KlaussnerDer Mann von der Botschaft») wurde bester Darsteller – vielleicht bekannt als Entführter in «Die fetten Jahre sind vorbei».

Die Jury des neuen Wettbewerbs «Cinéasti del Presente» zeichnete zu Recht «Verfolgt» von Angelina Maccarone aus, die darin ohne Scheu und Klischees eine sadomasochistische Beziehung verhandelt. Bestes Debüt wurde «L'année suivante». Ein Schweizer Filmchen konnte auch in der Kurzfilmrubrik «Pardi do domani» punkten: «Nachtflattern» der HGKZ-Studentin Carmen Stadler erhält den ersten Preis. Darin werden filmisch gekonnt Pärchenprobleme präsentiert, ansonsten gibt es aber viel anstrengende heterosexuelle Zweierkommunikation. Das Publikum honorierte in einem insgesamt unterhaltsamen Piazza-Programm den spannenden Stasi-Film «Das Leben der anderen».

13. August 2006

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