The Personal History of David Copperfield Grossbritannien, USA 2019 – 119min.

Filmkritik

Inmitten exzentrischer Persönlichkeiten

Sven Papaux
Filmkritik: Sven Papaux

The Personal History of David Copperfield schafft es, die stilistische Essenz des Autors aus Charles Dickens' Klassiker zu ziehen, und ein überragend souveräner Dev Patel führt in der Hauptrolle einen illustren Cast an. Die Handschrift von Armando Ianucci erledigt den Rest.

David Copperfields Geschichte ist wohl eine der grösstmöglichen emotionalen Achterbahnfahrten: Als Kind wurde er misshandelt und von seinem Stiefvater in eine Glasflaschenfabrik gesteckt. Der Junge beisst in den sauren Apfel – bis zum Tag, als er vom Tod seiner Mutter erfährt, zu deren Beerdigung er nicht eingeladen worden ist. Dies bringt das Fass zum überlaufen; kurzerhand flieht er zu seiner Tante. Aus dieser unsäglichen Wut entsteht schussendlich ein einzigartiges Epos: Von der Kindheit in Armut schafft es Copperfield bis zum Bestsellerautor.

Armando Iannucci und Simon Blackwell beherrschen ein vielfältiges Spektrum, wenn es um politische Satire geht. Von den Serien «Veep», «The Thick of it» bis hin zu «The Death of Stalin» gelingt es dem Duo, Humor mit dringlichen gesellschaftlichen Themen zu verbinden. Iannuccis jüngste Kreation «Avenue 5» ist ein gutes Beispiel dafür. Und auch The Personal History of David Copperfield ist eine Neuinterpretation einer vergangenen Epoche, die dem aktuellen Zeitgeist entspricht. Die viktorianische Literatur wird unserer Zeit gegenübergestellt, wobei die Themen die gleichen bleiben. Die Adaption dreht sich vor allem um ein modernes Übel: Die Angst vor dem eigenen Status.

Der Film funktioniert wie ein Theaterstück, es eröffnet sich uns eine lange Rückblende in das Leben des erfolgreichen Autors, seine Realität und seine Zukunft. Unterstrichen wird die fantastisch angehauchte Geschichte mit Bühnenbildern, die mit dem Wind davonfliegen, und einzigartigen Figuren, die vor Exzentrik nur so triefen: So zum Beispiel der Sadist Murdstone (Darren Boyd), Betsey Trotwood (Tilda Swinton), Dick (Hugh Laurie) oder Micawber (Peter Capaldi). Neben Dev Patel schafft es noch ein weiterer Schauspieler, sich aus diesem erlesenen Cast abzuheben, und zwar in einer Nebenrolle: Ben Wishaw schlüpft ebenso verstörend wie schelmisch in die Rolle des Betrügers Uriah Heep.

The Personal History of David Copperfield lebt vom realitätsnahen Witz, der an die scharfsinnigen Passagen von Dickens erinnert, und vom unterhaltsamen Zynismus – sowohl visuell als auch erzählerisch. Armando Iannucci staubte bei Dickens ab und adaptiert sein Werk zu einem grossartigen Theaterstück, in dem die Gefühle auf und ab gehen. Inmitten des ganzen Humors liegt nämlich ein wahrhaftiger Schmerz vergraben: eine komplexe Kindheit und Armut als Vermächtnis. Dev Patel schafft es, diesen mit einer ihm bisher unbekannten Eleganz auf die Leinwand zu übertragen. Der Junge aus Slumdog Millionaire und Skins ist erwachsen und reifer geworden. Man kommt nicht umhin, sich auf David Lowerys The Green Knight zu freuen, wo er als nächstes zu sehen sein wird.





08.09.2020

3.5

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Kommentare

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Patrick

vor 3 Jahren

Das Movie verfügt über eine Pompöse Kostüm-Auswahl sowie wird das ganze verfeinert mit einer schön gemachter Austattung. Aber leider ist David Copperfield gepflegte langweile pur verfeinert mit einer Willkürlichen Story.

Zuletzt geändert vor 3 Jahren


thomasmarkus

vor 3 Jahren

Eine Art Episodenfilm, prächtige Szenerie und Kulisse. Aber eben wie bei Charles Dickens eine Schmonzette als Fortsetzungsroman in der Zeitung.

thomasmarkus

vor 3 Jahren

Kompexitätsreduktion ausserdem im Plot: Manche Müsterchen werden in andere Szene verschoben. So kommt einiges von Dickens rüber, aber um- und neuinszeniert. Trag mich mit dem Gedanken, evtl. mal den Copperfield selber zu lesen.


Taz

vor 3 Jahren

Hat mich überraschenderweise recht kalt gelassen, obwohl Dev Patel oder Hugh Laurie mit von der Partie sind. Inhaltlich aber kaum erwähnenswert, legt das Ganze Wert aufs Schauspiel und die Comedy. Und da macht vieles einen erzwungenen Eindruck und lässt richtigen Spass vermissen.


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