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Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot Frankreich, Deutschland, Schweiz 2018 – 174min.

Filmkritik

Der lange Sommer der Theorie

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Was ist Zeit? Diese Frage stellt sich die Menschheit seit Tausenden von Jahren. Regisseur Philip Gröning hat sich mit seinem Film Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot diesem Thema angenommen und versucht, die Fragestellung sowohl inhaltlich als auch formal auszuloten.

Die Zwillinge Robert (Josef Mattes) und Elena (Julia Zange) leben in ihrer eigenen Welt, ihre enge Verbindung ist geprägt von Ritualen, Spielen und Wetten. Julia muss für ihr Abitur in Philosophie lernen, Robert will ihr helfen. Das letzte Wochenende vor der Prüfung verbringen die beiden zusammen, im hohen Gras vor einer Tankstelle liegen sie gemeinsam in der Sonne, lernen, diskutieren, trinken und streiten. Mitten im Lernstress provoziert Elena ihren Bruder mit einer Wette: Bis Montag will sie mit einem Mann schlafen. Falls das nicht klappt, bekommt er das Auto, das sie zum Abi geschenkt bekommen soll. Sollte sie gewinnen, muss er sich etwas von ihr wünschen. Doch was als harmloses Spiel beginnt, entwickelt sich schon bald zu einer tickenden Gefahr und die Zeit der Unschuld scheint unwiederbringlich vorbei.

Philip Gröning hat sich für Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot Zeit genommen. In jeglicher Hinsicht. Die dreimonatigen Dreharbeiten waren bereits 2013 abgeschlossen, aber die Postproduktion dauerte noch bis 2018 an. Und ebenso wie der Titel ist auch der Film etwas länger geraten, auf drei Stunden gedehnt inszeniert Gröning die unheilvolle Geschwisterliebe. Und dafür hat er einen ganz eigenen Erzählrhythmus gefunden: Gleißende Sonne, wogende Kornfelder, zierliche Grashüpfer – der Spätsommer wird hier visuell perfekt eingefangen. In diesem Setting philosophieren die Zwillinge über Zeit, sie streiten und zetern, sie albern herum und umkreisen sich in ihrer Symbiose. „Tiere und Kinder kennen keine Zeit“, sagt Robert an einer Stelle und tatsächlich wirkt auch der Film wie aus der Zeit gefallen, in den ersten zwei Stunden ist er fast bis zum Stillstand entschleunigt, die Sommerschwüle liegt bleiern auf dem Geschehen. Doch weniger die Länge ist das Problem, sondern vielmehr das permanente Sinnieren über das Wesen der Zeit, denn das bedeutungsschwangere Zitieren von Philosophen wirkt auf Dauer ermüdend, als ob mit dem Holzhammer kluge Gedanken erzwungen werden sollen. Dass sich dieser Stillstand dann noch mal entladen muss, ist klar, aber den Weg, den Gröning wählt, ist in seiner voraussehbaren Hysterie leider enttäuschend. Und so ist Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot ein formal mutiger Film geworden, der sich aber zu oft in seiner Theoriebesessenheit verliert.

26.02.2018

3

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