CH.FILM

Goliath Schweiz 2017 – 85min.

Filmkritik

Über Körperkunst und überholte Männerbilder

Leslie Leuenberger
Filmkritik: Leslie Leuenberger

Jessy (Jasna Fritzi Bauer) und David (Sven Schelker) werden uns als junges Paar mit einer noch unbestimmten Zukunft vorgestellt. Er arbeitet als Einkäufer in einem Atomkraftwerk, sie träumt davon, als Maskenbildnerin beim Schweizer Fernsehen zu arbeiten. Ihr Zuhause liegt zwischen Betonblöcken irgendwo in der kahlen Zürcher Agglomeration. Als Jessy David verrät, dass sie schwanger ist – offensichtlich ungeplant – packt sich David völlig überfordert die Joggingschuhe und haut erst mal für einige Stunden ab. Die beiden entscheiden sich für das Kind, Davids Zweifel lassen jedoch nicht nach. Als das Paar in der S-Bahn von einem Schläger angegriffen wird, kann sich David nicht verteidigen. Aus Scham fällt er einen Entschluss: Es ist Zeit zu einem „richtigen“ Mann zu werden, zum Beschützer, zum starken Geschlecht. Mit der Hilfe von exzessivem Krafttraining und Steroiden pumpt sich der liebe, sensible David zu einem aggressiven, unberechenbaren Goliath.

Für seine Rolle als Muskelprotz hat sich Schauspieler Sven Schelker selber monatelang im Kraftraum abgemüht. Die Metamorphose sollte für den Zuschauer deutlich wahrnehmbar sein. „Goliath“ wurde über einen Zeitraum von zehn Monaten gedreht. Für den von Natur aus schlanken Schelker hiess das konkret: Fünf mal pro Woche zwei Stunden Training und 3'500 Kalorien pro Tag. In der Vorbereitungsphase hat er neun Kilo zugelegt. In Anbetracht von Hollywoodstars wie Christian Bale, Jake Gyllenhaal oder Chris Hemsworth, die für Filmprojekte extreme körperliche Wandlungen durchgangen sind, wirkt seine Hulk-Tranformation glaubhaft, aber nicht schockierend.

Obwohl Schelkers schauspielerische Leistung ein Lob verdient, die schönen blauen Augen in Nahaufnahme machen Lochers Spielfilm leider nicht aufregender. Die Frage nach Männlichkeit und Körperidealen bietet viel Potenzial für ein Beziehungsdrama, doch auf Spannung hofft man bei „Goliath“ vergebens. Erst in den letzten zehn Minuten platzt die Bombe. Ansonsten wirkt die Vielzahl an emotionsgeladenen Streitereien zusammen mit den wiederkehrenden (oftmals frustgeladenen) Sexszenen repetitiv. Die Liebesbeziehung zwischen Jessy und David ist schön, doch wirklich dahinter sehen kann man als Beobachter nicht. Gerade bei intimen Momenten fühlt man sich eher wie das fünfte Rad am Wagen. Die Figuren bleiben einem fremd, weshalb man kaum mitfiebert als es auf den Abgrund zugeht. Hierfür ist eher das Drehbuch als die Schauspieler zu verantworten. „Goliath“ – eine vielversprechende Geschichte. Schade nur, dass die Umsetzung nur halbherzig gelungen ist.

20.02.2024

2

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Kommentare

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Janissli

vor 5 Jahren

Berührende Geschiche, welche bei mir lange nachgewirkt hat. Empfehlenswert!


Patrick

vor 5 Jahren

Darstellerisch Famos und das triste Alltags Leben wird von der Kamera und der Ausstattung her realistisch in Szene gesetzt.Aber der Rest ist irgendwie halbcare umgesetzt und die Sex~Szenen stören und schweifen unnötig vom Thema ab.

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


Arthouselover80

vor 6 Jahren

Grad im RiffRaff gesehen. Sehr berührender feinfühliger Film. Zwar wirklich ein veraltetes Männerbild, aber auch sehr zeitgenössisches, aktuelles, wenn ihr mich fragt. Kann ich nur empfehlen.


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