Mediterranea Frankreich, Deutschland, Italien, Katar, USA 2015 – 110min.

Filmkritik

Enttäuschte Hoffnungen

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Ein junger Afrikaner sucht in Europa nach einer besseren Zukunft. Aktueller könnte das Spielfilmdebüt des Italoamerikaners Jonas Carpignano nicht sein, das ohne billige Dramatisierungen in den Alltag eines Migranten eintaucht und seine zum Teil niederschmetternden Erfahrungen quasi dokumentarisch einfängt.

Da er seiner Tochter ein besseres Leben ermöglichen will, verlässt Ayiva (Koudous Seihon) sein Heimatland Burkina Faso und schlägt sich gemeinsam mit seinem Freund Abas (Alassane Sy) bis zur Mittelmeerküste durch. Nach einer lebensgefährlichen Überfahrt kommen die beiden in Italien zunächst in einem Auffanglager unter und gelangen kurze Zeit später in die kalabrische Kleinstadt Rosarno, wo sie auf einer Obstplantage Arbeit finden. Anders als erhofft, eröffnen sich den Neuankömmlingen jedoch keine aussichtsreichen Perspektiven. Während Abas schnell die Lust am Abenteuer "Europa" verliert, bleibt Ayiva hartnäckig, muss aber ebenso hilflos Ausbeutung und Fremdenfeindlichkeit über sich ergehen lassen.

Als Grundlage für seine erste abendfüllende Kinoarbeit diente Regisseur und Drehbuchautor Jonas Carpignano der eigene Kurzfilm "A Chjàna", der unter anderem bei den 68. Filmfestspielen von Venedig zu sehen war. Thematisiert werden darin die gewaltsamen Unruhen, die 2010 in Rosarno losbrachen, nachdem Einheimische auf afrikanische Migranten geschossen hatten. Mediterranea liefert nun eine Art Vorgeschichte zu den Ereignissen und konzentriert sich dabei auf das beschwerliche Leben der mit großen Hoffnungen ankommenden Flüchtlinge.

Eine enorme Intensität und Unmittelbarkeit erreicht der Film schon durch seine mitreißend-unruhige Handkamera, die stets direkt in das Geschehen involviert ist. Als Zuschauer hat man etwa bei der gefahrvollen Überquerung des Mittelmeers das Gefühl, selbst Passagier in dem kleinen Boot zu sein, das der unerfahrene Ayiva, von den Schleusern im Stich gelassen, in Eigenregie ans europäische Festland bringen will. Noch eindringlicher wirkt das ungeschönte Drama, wenn man berücksichtigt, dass beinahe alle Darsteller auch im wirklichen Leben Einwanderer sind und hier im Grunde ihre eigenen Erlebnisse nachspielen.

Anstelle einer klassischen Handlungsführung bietet Mediterranea schlaglichtartige Einblicke in den zum Teil erniedrigenden Alltag des Protagonisten und zeichnet dabei ein facettenreiches Bild, das von Hoffnungsschimmern über heuchlerische Fürsorge bis hin zu verstecktem und offenem Rassismus reicht. Gerade mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte ist Carpignanos unaufdringlicher Appell für ein menschliches Miteinander eine große Bereicherung.

17.02.2024

4

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