Samsara USA 2011 – 102min.

Filmkritik

Beleuchtung statt Erleuchtung

Filmkritik: Eduard Ulrich

Ron Fricke, der bei Koiyaanisqatsi die Kamera führte, flutet unsere Sinne mit Bildern und Klängen, verzichtet aber auf Kommentare. Zu sehen sind Landschaften, Gebäude, Verarbeitungsprozesse, Kunst und Waren. So sollen wesentliche Aspekte des menschlichen Lebens in visuell ansprechender und doch origineller Art gezeigt werden. Wer einen Hang zum Rausch hat, könnte dieses Feuerwerk schätzen, wer mehr analytische oder gar kritische Ansprüche hat, wird wahrscheinlich nicht zufrieden sein.

Nach einer kaleidoskopartigen Einleitung beginnt die Reise um die Erde in 95 Minuten bei einem Mandala in Tibet. In Großaufnahme werden die Farbkörner aufgetragen. Ist das eine subtile Reverenz an die Pixel der digitalen Bilddarstellung, der sich Ron Fricke mit seinem 70mm-Material doch so beharrlich verweigert?

Diese Sequenz lässt keine Wünsche offen: Die Farben leuchten, die Vergrößerung zeigt feine Details, die Schnitte sitzen organisch, der Spannungsbogen ergibt sich aus dem Vorgang selbst. Leider sind nicht alle Sujets derart gut für eine rein visuelle Präsentation geeignet. Eine rituelle Tanzchoreografie reizender Ostasiatinnen erfreut zwar Auge und Herz, Sinn, Zweck und Ziel des ganzen bleiben aber im Dunkeln. Man sieht diesem archaischen Perpetuum mobile aus Armen, Beinen, Köpfen und Leibern verständnislos zu und befürchtet, der Film habe sich zu einer Endlosschlaufe verknäult. Eine Kamerafahrt durchs Atelier eines japanischen Fickpuppenherstellers zeigt die Branche zwar auf dem neusten Stand, die Verbindung zur Generation der Autosexuellen muss man aber selber herstellen.

Das ist symptomatisch, der - meist - schöne Schein lässt sich genießen, was man sieht, ist die Oberfläche, das Risiko ist aber groß, dort zu bleiben, weil die Erläuterung fehlt. Kommt dazu, dass der in den Vereinigten Staaten weitverbreitete Drang nach Anerkennung durch die Massen heikle Bilder ausblendet. Da schaut wahrscheinlich wieder keiner dem Schwein zu, wenn es in der Schlachthausszene den Kopf verliert. Wo Nikolaus Geyrhalter in Unser täglich Brot gnadenlos draufhielt, wenn und dass es schmerzte, hilft Fricke mit gnädigen Schnitten weiter. Manchmal allerdings mit schmerzlichen Schnitten, die uns aus dem Staunen reißen wie beispielsweise beim Helikopteranflug auf eine gigantische Tempelstätte. Da und in manch anderem Moment wünscht man sich eine dreidimensionale Projektion, denn selten hätte sie so gut gepasst.

08.03.2024

3

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Kommentare

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isbelle

vor 12 Jahren

Grosse Bilder - eindrucksvoll


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