Zeit des Zorns Deutschland, Iran 2010 – 92min.

Filmkritik

Zeit des Zorns und der Verlorenheit

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Düsteres Drama aus dem Iran: Ein Mann verliert Frau und Kind bei einer dubiosen Schiesserei, läuft bei den Behörden gegen Mauern und nimmt das Heft des Handelns selbst in die Hand.

Draussen im Wald findet er Momente der Ruhe, drinnen in der Stadt Teheran wütet das Leben. Ali (Rafi Pitts), just aus dem Knast entlassen, ist passionierter Jäger. Mit Müh und Not findet er einen Hilfsjob als Nachwächter. So bleibt ihm wenig Zeit mit seiner Frau Sara (Mitra Hajjar) und dem sechsjährigen Töchterchen Saba. Als Ali eines Tages von der Arbeit heimkehrt, ist seine Familie ist verschwunden. Die Behörden stellen sich stur. Ali erfährt, dass seine Frau bei einer Schiesserei ums Leben gekommen sei, in der Polizisten und Demonstranten involviert waren. Sara bleibt unauffindbar. Was ist passiert? Wer ist schuld?

Der Mann bleibt im Ungewissen, sich selbst überlassen. Was kümmert es die Behörden, den Staatsapparat? Die ohnmächtige Wut kocht im Innern Alis, und so bezieht er Position auf einer Anhöhe und beobachtet die Autobahn. Zufall oder Absicht - ein Polizeiwagen kommt ihm in Visier. Er drückt ab. Fortan wird der Jäger zum Gejagten. Irgendwo in den Bergen wird er nach gestellt. Zwei Polizisten nehmen ihn in Gewahrsam. Ein Soldat (Hassan Ghalenoi) und sein Vorgesetzter (Ali Nicksaulat) schlagen sich bei ungemütlichem Wind und Wetter in der Wildnis mit dem Polizistenmörder herum. Der Vorgesetzte würde Ali am liebsten killen, der andere plädiert für Gerichtsbarkeit.

Das Drama mutiert zum Psychothriller, karg in Bild und Sprache. Es ist die Zeit der Proteste in Teheran, als die Menschen auf die Strasse gingen und aufbegehrten - gegen gefälschte Wahlresultate, verfolgte Oppositionelle, den selbstherrlichen Staatsapparat. Ali, der Jäger und Rächer aus persönlichen Gründen und Gefühlen, wird zur Symbolfigur, die gegen Ohnmacht und Unrecht anrennt, die aber auch Gewalt gegen Gewalt anwendet. Die Situation ist ausweglos - trotz einer Tür, die sich auftut.

In der zweiten Hälfte verdichtet sich The Hunter zur Parabel. Im Spannungsfeld zwischen den beiden Polizisten und des Opfers bzw. Täters wird das Drama der iranischen Gesellschaft offenkundig. Die Manifestation der Macht führt zur Tragödie des Einzelnen und des Gemeinwesens. Rafi Pitts, für Buch und Regie verantwortlich, schuf ein hautnahes und bewegendes Drama, ein mutiges Pamphlet unter der Knute eines rigiden Regimes, das Meinungsfreiheit mit Füssen tritt. Im Persönlichen spiegelt sich die Gesellschaft. The Hunter wirkt wie ein Fanal des Aufbegehrens, des Widerstands: ein starkes Zeichen des Zorn in Zeiten der Unterdrückung.

18.02.2024

4

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