CH.FILM

Zwerge sprengen Schweiz 2009 – 120min.

Filmkritik

Wenn es im Bauch grumselt

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Christof Schertenleib kann's nicht lassen: Wie schon in "Liebe Lügen" und "Grosse Gefühle" steht das seltsame Verhalten geschlechtsreifer Grossstädter (und Landbewohner) zur Paarungszeit auch in "Zwerge sprengen" im Zentrum eines dramaturgisch dicht gewobenen Ensemblefilms, der zwischen Soap und Beziehungsdrama laviert.

Die Geschichte zweier Brüder - "Bünzli" der eine, Luftikus der andere -ist im Schweizer Film nicht ganz neu; so wurde sie vor zwei Jahren etwa im subtil schwebenden "Tausend Ozeane" von Luki Frieden umgesetzt. Bei Christof Schertenleib heisst der Bünzli Thomas (Max Gertsch), ist erfolgreicher Arzt im Emmental, und Hannes (Michael Neuenschwander) der Luftikus, der zu Filmbeginn in London bei einem luschen Deal den grossen Mann mimt, bevor er ins heimische Rüegsau reist, wo sich die Familie einmal im Jahr zum "Zwerge sprengen" trifft - einem seltsamen Ritual, das der Patriarch, Pfarrer Werner Schöni (Urs Bihler), erfunden hat, um gute Vorsätze und Wünsche im Familienverbund in die Welt zu setzen. In die Welt gesetzt hat er einst neben vier Kindern mit Ehefrau Margrith (Silvia Jost) auch noch einen unehelichen Sohn, Produkt eines Seitensprungs mit einer Praktikantin. Die lebt ganz in der Nähe und pflegt auch am Zwergenritual teilzunehmen.

Als ob diese Ausganglage nicht explosiv genug wäre, hat Thomas im Flugzeug eine schöne Web-Designerin angebaggert und schleppt sie mit ans Familientreffen. Das geht natürlich schief. Und plötzlich ist da auch noch die geheimnisvolle Evelin (Sara Capretti), mit der beide Brüder einstmals etwas hatten. Weil so viele Konflikte in der Luft liegen und die Brüder das Baggern und Scharren und Schwänzeln offenbar vom Papa geerbt haben, beginnt es im Bauch von Evelin bald zu "grumseln", wie sie es nennt - und eine Ehe ist nahe daran, gesprengt zu werden. Am Ende sind es dann aber doch nur die Zwerge, die dieses Schicksal erleiden.

Für diese heile kleine Welt schweizerischer Behäbigkeit stehen sie im ganzen bleiernen Beziehungsgeflecht, das Christof Schertenleib zusammen mit Michael Glawogger mit sicherer Hand gewoben hat, als Hauptmetapher im Raum. Dabei muss man dem Berner Regisseur Respekt zollen für etwas, das im Schweizer Film Seltenheitswert hat: Selbstironie. Wenn zum Schluss die selbstbewusste Evelin aus sicherer Distanz Tina, die stets abwesenden Tochter von Familie Schöni, fragt, warum sie von weit her angereist sei, um sich dieses Zwergenspreng-Ritual anzuschauen, antwortet Tina: "Manchmal muss man etwas noch einmal sehen, um sicher zu sein, dass man es nicht will". Das könnte auch - ein Stück weit wenigstens - die Distanzierung von einer Story sein, die letztlich nicht das einhält, was sie anfänglich verspricht.

01.06.2010

3

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Kommentare

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r75

vor 13 Jahren

Stellt das (Emmentaler) Landleben bzw. das Leben nicht ganz unrealistisch + zudem recht humorvoll dar.
Ein Film, den man schauen gehen sollte.


dablu

vor 14 Jahren

der beste CH Film der vergangenen 3 Jahre. Ein MUSS. Und erst noch unterhaltend und anregend zugleich!
(und das von einem Kinogänger, der sonst v. a. auch action-thrillers bevorzugt)


pradatsch

vor 14 Jahren

Die Frauen erscheinen hier als vernünftige Planerinnen, die Männer sind triebgesteuerte Hansdampfe. Handlungsmotive sind kaum erkennbar, und es dauert jeweils sehr lange, bis einer der Herren auch nur im Ansatz etwas kapiert.


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