Grozny Dreaming Kanada 2008 – 78min.

Filmkritik

Geigen und Granaten

Filmkritik: Eduard Ulrich

Sport und Musik sollen oft richten, was die Politik verbockt hat. Zwei Tessiner Filmjournalisten sehen einem deutschen Dirigenten dabei zu, wie er zwischen Stuhl und Bank respektive Tür und Angel taktiert. Trotz vieler Mängel wünscht man dem Film sein Publikum.

Mario Casella und Fulvio Mariani sind vom Berg und vom Abenteuer in der Natur fasziniert. Ihre Produktionsgesellschaft heißt sinnigerweise Iceberg und auf selbige scheint das Orchester, welches sie einige Wochen begleiteten, immer wieder Kurs zu nehmen. Es gibt einige legendäre Bergformationen, der Kaukasus ist eine davon, und wer sich für Berge interessiert, kommt um ihn nicht herum, was auch für die Reisenden dort gilt.

Viele Länder grenzen aneinander, viele Sprachen werden gesprochen, die Natur ist karg, der Kampf ums Überleben hart und schon in der Anfangszeit des russischen Reiches wurde über hartnäckigen Widerstand berichtet. Die fünf großen Länder scheinen danach zu streben, jede mögliche Kombination von Kombattanten auszuloten, viele haben sie schon ausprobiert und inzwischen entstanden noch einige kleine, die sich von ihren Mutterländern loskämpften - lossagen genügt in dieser Region selbstredend nicht. In dieses Wespennest stach nun der deutsche Sänger und Dirigent Uwe Berkemer mit seinem Projekt, ein kleines Kammerorchester mit MusikerInnen aus allen Kaukasusländern zu formieren und dort Konzerte zu geben - das erinnert ans West-östliche-Diwan-Orchester.

Wanderte hier ein bisher im Westen erfolgloser Dirigent - Berkemer ist tatsächlich kein großer Name - mit einer kleinen Schatulle gen Osten, finanziert dort sein eigenes Orchester und "kauft" noch eine Frau, wie es schon viele vorgemacht haben? Nicht ganz: Berkemer verlegte nach einer Blitzhochzeit mit einer georgischen Geigerin seinen Lebensmittelpunkt nach Georgien. Die strohblonde ca. 6-jährige Tochter, mit der er in einer Szene deutsch redet, wird wohl ein Relikt aus einer vorgängigen deutschen Beziehung sein, denn seine schwarzhaarige, georgische Frau spricht als Fremdsprache nur Russisch.

Berkemer spricht leider nach 8 Jahren in Georgien nur ein paar Brocken Russisch, aber die Musik funktioniert wortlos oder mit englischen Erklärungen, denn Noten, Gesten und Töne sind universell. Nach einer Einleitung auf US-amerikanisch führt uns Berkemer mit seinem gut verständlichen, deutschen Englisch durch die kurze Geschichte dieses ambitiösen Orchesterprojekts. Visuell wirkt der Film hausbacken, eine beliebige Abfolge konventioneller Bilder: Kriegsarchivfilmausschnitte mit Schießereien, Flüchtlingen und Toten, Ruinen, Gespräche mit einigen wenigen MusikerInnen, Proben, Reisen mit dem Car, Konzerte, Natur (Berge!). Die Filmmusik spielte das Orchester gleich selbst ein: fast ausschließlich eingängige, rhythmisch orientierte, folkloristische Werke von Komponisten aus der Region.

13.07.2009

3

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