Dr. Alemán Deutschland 2008 – 106min.

Filmkritik

Die drei K des Dr. Alemán

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Kolumbien, Koks und Krawalle - diese drei K bestimmen das Selbstfindungsabenteuer des deutschen Mittelklasse-Medizinstudenten Marc, der wie so viele den Globalisierungsmythos des mobilen Menschen nährt. Zwar entlarvt der Film die naive Überheblichkeit vieler westlicher Reisender, die angesichts sozialer Härten und krimineller Realitäten allzu oft an ihre persönlichen und ethischen Grenzen stoßen - stereotype Bilder und eine irritiererde Genreunsicherheit, die permanent zwischen Sozialdrama, Lovestory und Gangsterschmonzette schwankt, fügen dem neuen Werk von Tom Schreiber («Narren») jedoch unfreiwillig zwei weitere K hinzu, Klischee und Kulisse.

Gleich nach seiner Ankunft in Cali, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, muss Marc nach einem ironischen «Heil Hitler» seines neuen Chefs zeigen, was er kann - oder eben nicht kann. Verzweifelt pult der «PJler» in seiner ersten Schusswunde nach der Kugel bis die Krankenschwester ein Erbarmen hat und den Tipp gibt, die Wunde einfach ein Stück aufzuschneiden um das Projektil zu entfernen. Doch ebenso unreflektiert stolz, wie Marc sich dieses erste von unzähligen Projektilen um den Hals hängt, tappt der erfolgsverwöhnte Frankfurter Arztsohn in eine Welt der für ihn unsichtbaren Unterströmungen: Aus der Gastfamilie fliegt er, nachdem er die Avancen der pubertierenden Tochter falsch einschätzt und die seinen Drogenkonsum verrät, seine Ausflüge in die Favelas enden nur dank der heimlichen Fürsorge von Kioskbesitzerin Wanda nicht im Desaster und im Kollegenkreis eckt er immer wieder mit unsinnigen Provokationen an.

Als Marc sich in kokaingeschwängerter Selbstüberschätzung zunehmend zwischen die Fronten der gewalttätigen Auseinandersetzungen rivalisierender Banden gerät, bringt er nicht nur sein eigenes Leben in Gefahr: Die Folgen seiner Aktionen für Wanda und die von ihr betreuten Straßenkinder sind verheerend. Angesichts dieses von Beginn an recht unsympathischen Protagonisten fragt man sich über den gesamten, immerhin mit dem Deutschen Filmpreis für das beste Drehbuch prämierten Handlungsverlauf hinweg, warum zum Teufel dieser smarte junge Mann mit den zwei Gesichtsausdrücken nicht endlich einfach in den nächsten Flieger zurück nach Deutschland steigt.

Leider paaren sich hier zwei Negativa denkbar ungünstig: Ein in der Figurgestaltung als oberflächlich-überheblich angelegter Protagonist und das erstaunlich blasse Spiel seines Darstellers August Diehl. Diehl, aus unzähligen Produktionen wie «23», «Lichter» oder «Die Fälscher» als charismatischer und vielversprechender Schauspieler bekannt, ist hier schlichtweg nicht in Topform - und dass ausgerechnet in einem Film, der sich voll und ganz auf seine Hauptfigur konzentriert und qua Konzept die dutzendweise eingeführten Nebenfiguren zu undifferenzierten Funktionsträgern degradiert.

Schade, der ambitionierte Versuch scheitert trotz außergewöhnlicher Kameraarbeit und einigen sehenswerten Momenten: Die Tragik bleibt bloße Behauptung, die Glaubwürdigkeit auf der Strecke und so die Emotionen beim Zuschauer weitgehend aus.

14.08.2008

2

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Kommentare

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cineflon

vor 15 Jahren

super guter Film!
Sehr nahe an der Realität.


roeschi

vor 15 Jahren

Tolles Drehbuch und ein sehr guter August Diehl. Bei der Premiere hat man von Tom Schreiber hören können, welche aussergewöhnlichen Vorarbeiten das Team vor Ort gemeistert hat.


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