300 USA 2006 – 116min.

Filmkritik

Eine Armee Tessinerbrötchen

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Während das Parlament feige kuscht, krallt sich Spartanerkönig Leonidas 300 Kämpfer und tritt an den Thermopylen gegen das vielfach überlegene Perserheer an. Es geht blutig zur Sache. Schliesslich aber ist die Freiheit gerettet sowie ein Opfermythos geboren. «300», Zack Snyders Verfilmung von Frank Millers gleichnamiger Grafic Novel, setzt neue Massstäbe beim Einsatz von computergenerierten Landschaften und Bodybuildern.

Mit ihrem Cape, Strampelhöschen, den SM-Lederriemen und dem unverhüllt präsentierten Sixpack (Schweiz: Tessinerbrötchen) sehen die 300 Männer aus wie eine Ravergruppe auf der Suche nach der Street Parade. Doch es sind Spartaner, und ihr Sinn ist nicht nach Peace, Party und Harmony. Sie ziehen in den Krieg. Wir schreiben das Jahr 480 vor Christus. König Leonidas (Gerard Butler), den die Eltern, um ihn besser aufs Regierungsgeschäft vorzubereiten, als Kind gegen Wölfe kämpfen liessen, hat bis zuletzt das Parlament zum Losschlagen gegen Perserkönig Xerxes (Rodrigo Santoro) zu bewegen versucht. Fehlanzeige. Deshalb ist er jetzt ohne Ermächtigung losgezogen. Zusammen mit 300 Männern, allesamt spartanische Superkrieger, eilt er dem an der griechischen Küste gelandeten persischen Heer entgegen. Dabei hat Leonidas seine Frau, Königin Gorgo (Lena Headey), mit einem aufgebrachten Parlament und dem intriganten Theron (Dominic West) zu Hause zurückgelassen. Doch würdevoll deckt die First Lady den Alleingang ihres Gatten. Die Spartaner positionieren sich an den Thermopylen, dem Nadelöhr, durch welches Perserkönig Xerxes seine Armee führen muss, um ins Innere Griechenlands zu gelangen. Welle um Welle schickt Xerxes - abenteuerlich gepierct und von Statur eines Langstrassen-Pimps - seine Kämpfer gegen die 300. Die halten die Stellung. Da fährt Xerxes gröberes Geschütz auf (Kriegselefanten, Ninja-Fighter, antike Cruise Missiles). Von einem Verräter geleitet, kann er schliesslich den Griechen in den Rücken fallen. Den Tod vor Augen kämpfen die Spartaner weiter, denn sie wissen: Wanken wir, fällt das Abendland.

«300» lief an den diesjährigen Berliner Filmfestspielen und entwickelte sich dort schnell zum bestgehassten Film des Anlasses. Die Kritiker tobten ob des offensiv zur Schau gestellten Machismo, des unverschämten Flirtens mit Führerkult und Nazi-Übermenschschmock, ob des liebevoll gezeigten Abhackens von Gliedmassen sowie der zugegeben recht drögen Story. Als nächstes kläfften die unvermeidlichen Kulturpessimisten und setzten wortreich Zeichen um Zeichen gegen die McDonaldisierung abendländischen Kulturgutes (wobei sie gern vergessen, dass es im 19. Jahrhundert europäische Spitzendenker und Oberlehrer waren, die die Auswüchse des superkitschigen und knalldoofen Antikenkults zu verantworten hatten). Schliesslich meldete sich auch noch der Iran bei der Uno(!), um gegen «300» zu protestieren. Im Film würden ihre Ahnen als bösartige und moralisch verwerfliche Barbaren diffamiert, und die historischen Fakten seien schlicht verfälscht worden: «Diese verzerrten Erfindungen über die Perser sind untrennbar mit den konzertierten Bemühungen in bestimmten westlichen Interessenkreisen verbunden, die iranische Nation zu dämonisieren.»

Angeheizt durch die Kontroverse und angefixt durch eine clevere Internetkampagne, strömten in den USA die Massen in die Kinos und verhalfen «300» zu einem Traumstart. Jene Schlauberger verstummten, die dem Epos kurz zuvor noch einen ähnlichen Absturz wie den beiden vorangegangenen Sandalen-Lachnummern «Troy» und «Alexander» prophezeit hatten. Die Rechnung von Zack Snyder, dem Regisseur des sehr brauchbaren «Dawn of the Dead»-Remakes, und Comic-Artist Frank MillerSin City») ist aufgegangen. In Studios in Montreal mit unbekannten Schauspielern vor leeren grünen und blauen Stellwänden billig abgedreht, wurde «300» erst nachträglich mit Landschaften aus dem Computer angereichert. Die Herkunft aus dem Rechner kann der Film nie vergessen machen, gleichzeitig unternimmt Snyder aber wenig, dieser Sterilität entgegenzuwirken. Im Gegenteil. Zuweilen verstärkte man dieses Zu viel noch zusätzlich. Ganz so wie inhaltlich alberne Kraftsätze («Heute Nacht speisen wir in der Hölle!») und pathetischer Stumpfsinn dominieren, so wird auch auf Bildebene der Trash-Kitsch mit Ideallandschaften in Pastelltönen auf die Spitze getrieben. Körper gibt es ebenfalls keine normalen zu sehen, und da Snyder mit Bewegung und Action ähnlich ornamental verfährt, wird klar, dass hier nicht die Illusion von Natürlichkeit, sondern Künstlichkeit angestrebt wurde.

Das hört sich an wie ein avantgardistisches Kunstprogramm oder wie - frei nach Nietzsche - «die Geburt der Tragödie aus dem Geiste des Bodybuildings». Unter diesem Blickwinkel kann man «300» tatsächlich Einiges abgewinnen. Iraner zu dämonisieren oder Jugendliche für die Armee zu mobilisieren, dürfte hingegen kaum auf der Agenda Snyders gestanden haben. Wer sich nach «300» wirklich (frei)willig fürs Totschlagen anwerben lässt, der hat echt ein Problem, und das hat nicht erst mit diesem gelungenen Wegwerfepos begonnen.

15.02.2024

4

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Kommentare

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Mikelking

vor 10 Jahren

Bin ziemlich enttäuscht von dem Film. Ich habe schon Sin City gesehen, der ebenfalls von Frank Miller ist und den fand ich genial. 300 ist nicht annähernd so gut...


Pimpollo85

vor 10 Jahren

Cooler Film, Krieg und Fantasie


movie world filip

vor 12 Jahren

theater dekors... coole stil... freche film


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