CH.FILM

Pierre Favre - Poetry in Motion Schweiz 2006 – 70min.

Filmkritik

Ein bewegtes Porträt

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Er ist am 2. Juni 70 Jahre alt, aber kein bisschen leise oder schlaff geworden: Der Schlagzeuger und Komponist Pierre Favre ist wie Kameramann Pio Corradi ein renommierter Schweizer Künstler. Der eine, Corradi (67) aus Läufelfingen, setzt den anderen, Favre aus dem Jura, in fesselnde bewegte Bilder.

Das Werkverzeichnis beider Akteure, des wohl berühmtesten Drummer der Schweiz sowie des rührigen Kameramanns, ist ellenlang. Hier Favres Konzerte, Kompositionen, Kunststücke zwischen Pauken, Trommeln und Becken. Dort Corradis Filmschaffen über drei Jahrzehnte. Zeit- und Filmgeschichte spiegeln sich in Corradis Kameraarbeit (rund 60 Schweizer Filme) wieder. Es finden sich darunter Porträts der Rennfahrer Jochen Rindt (It's Jochen, 1970) oder Jo Sifferts ("Live Fast, Die Young", 2005), des Kunstmalers Adolf Dietrich (1991), des sperrigen Künstlers Dieter Roth (2003) oder des Clowns Dimitri (2004). Nachhaltig sind seine Dokumentarfilme "Der schöne Augenblick", "Ur-Musig", "Der Kongress der Pinguine" oder Mani Matter. Seit Jahrzehnten arbeitet Corradi mit dem Innerschweizer Filmer Fredi M. Murer zusammen. Eine grossartige Zusammenarbeit, die sich in den Spielfilmen Höhenfeuer (1985), Vollmond (1998), oder Vitus (2006) manifestiert.

Für seinen ersten Film in eigener Regie hat sich Pio Corradi die Ikone der Schweizer Drummer-Szene, Pierre Favre, ausersehen. Wer meint, er müsse sich ob dieser künstlerischen Partnerschaft vor Langeweile oder Insidertum abwenden, wird eines besseren belehrt. Corradis Porträt ist keine filmische Biografie, kein Abfeiern des Drummer-Gurus oder nur Mitschnitt legendärer Auftritte. Seine dokumentarische Zuwendung "Poetry in Motion" ist die intime Spiegelung einer kreativen Existenz. Pierre Favre, der Autodidakt, erzählt von seinen Träumen, seiner "Erleuchtung", seinen Schlüsselerlebnissen. Der Jurassier, der vor langer Zeit vielleicht Bauer geworden wäre, ist dem Schlagzeug verfallen.

Und so wurden Trommeln, Pauken, Gongs und Becken sein Lebenselixier, seine Sprache. Die Trommel sei eine Frau, sagt Favre einmal, die man nicht schlagen, sondern streicheln müsse. Leise und laute Szene legen davon Zeugnis ab - mit dem Luzerner Schlagzeuger Fredi Studer, dem Schwarzen Jo Jones, dem Afrikaner Makaya Ntshoko, der chinesischen Lautenspielerin Yang Jing oder der Jazzpianistin Irène Schweizer. Es sind keine bombastischen Trommelfeuer zu hören, kein brachiales Geräuschgewitter, sondern sensible Annäherungen und Verschmelzungen. Favre verkörpert wie kein zweiter in der Schweiz multikulturelle, demonstrative Virtuosität. Sein musikalisches, künstlerisches Credo kommt hier poetisch-feinsinnig zum Ausdruck. Pio Corradi hat die Kreativität des Percussionisten in intensiven Bildern eingefangen, sicht- und hörbar gemacht (von 1972 bis heute). Er verzichtet auf lexikalische Information. Die Percussion-Poesie ist zwar eine Schweizer TV-Produktion ("Klanghotel"), entfaltet sich aber erst wunderbar im Kino.

02.07.2007

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