Rhythm Is It! Deutschland 2004 – 100min.

Filmkritik

Kunst- statt Menschenopfer

Filmkritik: Eduard Ulrich

Die Kombination von Strawinskijs "Sacre du printemps" mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle lässt nicht nur das Herz eines jeden hochkulturell Begeisterten höher schlagen, sondern auch die Messlatte höher hängen. Der Dokumentarfilm von Thomas Grube und Sánchez Lansch konzentriert sich auf die Probenarbeit der 250 LaientänzerInnen, womit er wohl einen Teil des Publikums verfehlt.

Theater, Oper oder Tanz im Kino zu zeigen war und ist schwer. Robert Altman wählte 2003 für "The Company" einen semidokumentarischen Weg, wobei er bei den Aufführungsszenen tief in die Kiste der filmischen Mittel griff, um die Unmittelbarkeit dieser Mensch-zu-Mensch-Kunstform näherungsweise zu erzielen. Das Regie-Duo Grube-Lansch weicht diesem Problem (leider) aus, indem es der Musik und der Aufführung nur eine Nebenrolle zugesteht.

Sichtlich fasziniert sind die beiden dagegen von der für gebildete MitteleuropäerInnen schwerverdaulichen Mischrolle aus Einpeitscher und Zuckerbrotverfütterer, die der aus ärmlichen Verhältnissen stammende britische Choreograf Royston Maldoom gibt, der zudem noch ausführlich Gelegenheit hat, die Welt mit seinen simplifizierenden Sprüchen zum gesellschaftlichen Überlebenskampf zu beglücken. Daneben heben sich die wenigen Kommentare des neuen Chefdirigenten Simon Rattle wohltuend durch ihren Informationsgehalt ab.

Simon Rattle steckt auch hinter der Idee, die diesem Projekt zu Grund liegt: Das Berliner Spitzenorchester soll eine neue, aktive gesellschaftliche Rolle finden, indem es auf einen Personenkreis zugeht, der bisher mit Elitekultur nichts anfangen konnte. Das erste Projekt dieser Art führt einen bahnbrechenden Meilenstein der europäischen Kunstmusik in einer Choreografie auf, die auf fünf tänzerisch extrem unterschiedlich versierte Gruppen abgestimmt ist. Aus der Gruppe der Neulinge werden zwei Jungen und ein Mädchen begleitet, wobei sie sich in unterschiedlichen Projektfasen zu ihren Gefühlen, ihrer Einstellung und ihren Erfahrungen äußern.

Viele Proben und wichtige Momente wie das erste Zusammentreffen des Orchesters mit den TänzerInnen werden in meist kurzen Ausschnitten präsentiert. Gruppendynamische Prozesse wie das sich Aufspielen Einzelner und kollektiver Protest werden unvermittelt gezeigt. Darin liegt auch die Stärke des Films: Man kann ansatzweise verfolgen, wie aus der heterogenen Mischungen ein einigermassen homogenes Resultat geformt wird. Dass es gelang, die nach Alter, Nationalität, Bildungsniveau, Ausbildungsvoraussetzung, Erfahrungsschatz, körperlicher Verfassung, Lernfähigkeit und sozialer Klasse extrem verschiedenen Menschen zum gemeinsamen Werk zu motivieren, ist wohl der grösste Gewinn des Unternehmens.

04.05.2021

3.5

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Kommentare

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gartenmann02

vor 18 Jahren

Genial! Ein Film der nicht nur unterhält sondern mit Musik und Bewegung zeigt, dass es erfüllt ambitiöse Ziele zu haben und über sich und seine Grenzen zu wachsen.


paddington65

vor 18 Jahren

Ein berührender, positiver Film für die Seele... gibt Zuversicht und Mut und macht einfach Spass beim Zuschauen! Sehr sehenswert!


Gelöschter Nutzer

vor 18 Jahren

spannender film, der obwohl dokumentarisch nie langweilig wirkt


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