Die Brautjungfer Frankreich, Deutschland, Italien 2004 – 110min.

Filmkritik

Eine Ehrendame

Filmkritik: Irene Genhart

Mit "La demoiselle d'honneur" stellt Claude Chabrol seine nach "La cérémonie" zweite Verfilmung eines Romans der britischen Krimi-Autorin Ruth Rendell vor. Ein ins Verbrechen und die Abgründe der Seele führendes Drama.

Mit einer Regelmässigkeit, die jeder Schweizer Uhr zur Ehre gereichte, stellt der 1930 geborene Claude Chabrol neue Filme vor. Im Laufe der Jahre hat der ehemalige Maitre der Nouvelle Vague eine unübersehbare Vorliebe für im französischen Bürgertum angesiedelte Mords- und Mördergeschichten entwickelt: voll ins Genre passt denn auch "La demoiselle d'honneur", sein 66stes Leinwandwerk, und zugleich seine zweite Verfilmung eines Romans der britischen Krimi-Autorin Ruth Rendell.

In einem Vorortquartier von Nantes spielend erzählt dieser die Geschichte einer verhängnisvollen Amour fou: Auf der Hochzeit seiner Schwester Sophie verliebt sich der 25-jährige Immobilienhändler Philippe Tardieu Hals über Kopf in eine der Brautjungfern. Senta Bellange heisst die Dame, ist eine entfernte Cousine des Bräutigams, und sie sei, warnt man Philippe, wegen ihrer äusserst undurchsichtigen Vergangenheit etwas seltsam.

Doch Philippe kümmert solches Geschwätz wenig. Am Tag der Hochzeit noch schläft er mit Senta und ist fortan der kapriziösen jungen Frau, die behauptet Schauspielerin zu sein und bisweilen ganze Tage lang unauffindbar verschwindet, rettungslos verfallen. Mit Mühe gelingt es ihm gerade noch, seinen Job zur Zufriedenheit seines Chefs auszuführen; immer mehr lässt er seine Familie im Stich, immer grösser wird seine Not, wenn Senta mal wieder für einen Tag spurlos untertaucht.

Senta ihrerseits scheint wankelmütig. Mal wirkt sie souverän, dann wieder anlehnungsbedürftig; scheinbar verspielt fordert sie von Philippe eines Tages, dass er zum Beweis seiner Liebe zu ihr einen Baum pflanzt, ein Gedicht schreibt, mit einem Menschen gleichen Geschlechts schläft - und jemanden umbringt. Durch Zufall und mit einer kleinen Lüge gelingt es dem nun doch leicht beunruhigten Philippe, das Geforderte zu liefern ohne zum Verbrecher zu werden. Doch als er Senta das nächste Mal besucht, liegt in ihrem Schrank eine Leiche...

Mit Verve spielt Benoît Magimel in "La demoiselle d'honneur" den liebesblinden, jungen Mann; eine Entdeckung ist Laura Smet - die Tocher von Altrocker Johnny Halliday und der Schauspielerin Nathalie Baye - die in ihrer ersten grossen Filmrolle als ambivalente Mischung von verführerischer Femme fatale und naiver Psychotin auftritt. Solide inszeniert wie jeder Chabrol Film ist "La demoiselle d'honneur", gleichwohl wird man den Verdacht nicht los, dass dem grossen Meister langsam der Atem ausgeht.

Zwar hat Chabrol - besser als im vorletzten "La fleur du mal" - den Spannungsbogen voll im Griff. Doch just in dem Moment, in dem seine Figuren mit weit offenen Augen vor ihren in schwindelerregende Tiefen führenden, seelischen Abgründen stehen, fällt unverhofft die letzte Klappe. Das ist schade. Denn man wird den leisen Verdacht nicht los, dass "La demoiselle d'honneur" eigentlich erst jetzt richtig spannend würde.

18.05.2021

4

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Kommentare

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borislav

vor 18 Jahren

Gute Regie, überzeugende Darsteller, der Plot geht auf; das sei vorangestellt. Soweit stimmt der Film, und wem das reicht, soll ihn sich unbedingt ansehen. Leider habe ich keine Ahnung, was der Witz, die Aussage des Films sein soll. Bitte um Aufklärung!


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