Die Blindgänger Deutschland 2004 – 87min.

Filmkritik

Die Blindgänger

Filmkritik: Jürg Tschirren

Bernd Sahling zeigt unsentimental und ohne Klischees die Geschichte von zwei blinden Mädchen, die einen Bandwettbewerb gewinnen wollen und einem Russlanddeutschen zurück nach Kasachstan helfen. Für "Die Blindgänger" wurde Sahling mit dem Deutschen Filmpreis 2004 für den besten Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet.

Zuerst ist da nur eine weisse Leinwand. Das hat nichts bedrohliches, man sieht halt einfach nichts. Man ist so blind wie das Mädchen, das die Kamera nach einer Weile auf seinem Weg durch eine Winterlandschaft ins Internat zeigt. Mit dem Blindenstock in der Hand tastet sie sich gewandt einer Mauer entlang. Als grosser Stein oder Baumstrunk am Boden liegt, springt das Mädchen - sie heisst Marie (Ricarda Ramünke)und ist 13 Jahre alt - spielerisch darüber hinweg. Am Ende des Weges setzt sie sich auf eine Bank und singt ein Lied. Das Lied wird sie später an einem Wettbewerb für Schülerbands singen. Aber davon handelt dieser Film nur am Rande.

Darauf sieht man Marie in ihrer Schulklasse. Die Lehrerin steht vorne und diktiert, die blinden Schüler tippen die Sätze in ihre Braille-Schreibmaschinen. Maries Freundin Inga (Maria Rother) kann dem Diktat nicht folgen. Und an dieser Stelle macht der Film mit einer kleinen Geste klar, dass Blinde dieselben Probleme haben wie die Sehenden, dass nur die Tricks, mit denen sie diese Probleme meistern, andere sind: Inga tastet Maries Braille-Diktat ab, die Lehrerin erwischt sie beim schummeln, stellt beide Mädchen vor die Türe und Inga spielt aus lauter Frust einen Blues auf ihrem Saxophon. Alltag wie an jeder anderen Schule auch - nur dass nicht jeder gleich ein Saxophon dabei hat.

Beim Fernsehhören erfahren Marie und Inga, dass eine Schülerband in der Stadt Verstärkung für einen Fernseh-Wettbewerb braucht. Zusammen mit ihrem Betreuer Karl (Dominique Horwitz) fahren sie zum Vorspielen, Marie mit der Gitarre, Inga mit dem Saxophon. Sie spielen tadellos, aber die Band will lieber eine gut aussehende Blondine auf der Bühne haben. Zurück im Internat steht da eines Abends Herbert (Oleg Rabcuk) vor dem Tor. Er ist auf der Flucht vor der Polizei. Marie versteckt ihn im Internat und verliebt sich wohl auch ein wenig in den Burschen. Und weil er 500 Euro für eine Fahrt Kasachstan braucht, will Marie beim Bandwettbewerb gewinnen und ihm mit der Preissumme die Rückkehr in die Heimat bezahlen.

Das alles zeigt der Film in unspektakulären Bildern, mit entsättigten Farben und oft reduziertem Licht. Und er bleibt wohltuend unsentimental. Dass die Hauptdarsteller die Welt anders wahrnehmen als die "Guckis" ist bald einmal Nebensache. Die Blinden sind hier keine Opfer, sind auch keine besseren Menschen. Sie sind einfach Teenager: Mal verpickelt, mal nicht, mal hässlich, mal hübsch, unsicher, naiv und vorlaut. Nicht zu unrecht wurde Regisseur Bernd Sahling für diese unklischierte Darstellung mit dem Deutschen Filmpreis 2004 für den besten Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet. Dass er bei andern Figuren nicht mit Klischees geizt - der Russlanddeutsche Herbert scheint die gesammelte Schwermut der russischen Volksseele in seiner jungen Brust zu tragen, ist wortkarg und schaut ständig wie ein Trauerkloss - sei ihm verziehen.

31.05.2021

4

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Kommentare

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mamama

vor 17 Jahren

spannend und gute handlung, sehr gute schauspielerische leistung, diese blinden mädchen.
traurig..., diese menschen die nichts sehen, ich mache mir viel gedanken über diese welt.


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