Das Rad der Zeit Deutschland 2004 – 81min.

Filmkritik

Schweigen wäre Gold

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Eindrückliche Bilder, eitel Geschwätz: Werner Herzog nimmt sich in seinem neuesten Opus dem buddhistischen Ritual der "Kalachakra" an. Ein zweifelhaftes Vergnügen.

Werner Herzog goes Buddhismus. Und das kam so: In Graz gelang es der buddhistischen Gemeinde, den Dalai Lama zu einer so genannten Kalachakra-Initiation einzuladen. Herzog wurde angefragt, das Ereignis filmisch zu dokumentieren. Aber weil einem Herzog eher etwas zu wenig ist als zu viel, wurde das Projekt ausgeweitet, das Ritual auch im indischen Bodh Gaya beobachtet, in jener Stadt, wo Buddha einst Erleuchtung fand. Und ein Abstecher zum heiligen Berg Kailash kam auch dazu.

Was ist nun diese Kaladingsbums? Ka-la-cha-kra. Der Begriff ist fast leichter ausgesprochen als erklärt - auch, weil Werner Herzog das nicht eigentlich tut. Die Kalachakra ist einer der wichtigsten Initiationsriten des Buddhismus. Das heisst praktisch: Tagelanges Beten, endloses Meditieren, heisse Suppe und Myriaden glücklicher Menschen. Im Zentrum der Kalachakra steht ein gewaltiges Sand-Mandala, das Mönche erst streuen, die Gläubigen schauen, und der Dalai Lama dann höchstpersönlich dem Nichts überantwortet. Schade? Iwo, gehört sich so.

Schon schön eindrücklich, was Werner Herzog und sein Kameramann Peter Zeitlinger an Aufnahmen nach Hause brachten: Dieser Mönch, zum Beispiel, der zu Fuss aus dem tibetischen Hinterland nach Bodh Gaya pilgerte. Sich buchstäblich hinlitt. Sein Gehen war die nicht ganz unanstrengende Abfolge von Schritt, runter auf den Boden, aufgestanden, Schritt, Niederwerfung, Aufstehen und das alles wieder von vorn. Und wieder. Er soll sechseinhalb Jahre lang unterwegs gewesen sein.

Es zeigt sich an diesem Bild paradigmatisch der herzog'sche modus operandi. Sein Verstehen sucht sich den Weg zuerst über das Bild, der Fluchtpunkt ist immer ein Denkbild. Sein "oh, Mensch!"-Blick gilt stets dem Individuum, gerät zum sich wiederholenden Versuch, Gesichter zu fokussieren, der Masse ein menschliches Antlitz zu entreissen, an ihm das schwer Verständliche begreifbar zu machen, dessen Fremd-Sein und Fremd-Bleiben Herzog nie verhehlt - auch wenn er es im Grunde bestens kennt. Die Erfahrung jenes Anderen, des Menschen Suche nach dem Göttlichen (in sich), grossartiges Streben und kleinlautes Scheitern, durchzieht Werner Herzogs ganzes filmisches Schaffen.

Aber da ist noch ein anderer Herzog - er tönt die ganze Zeit aus dem Off. In der ihm eigenen Mischung aus Ergriffen-Sein und Beleidigtheit, Grössenwahn und Eifer-Sucht probiert er mehr oder minder forcierte Lesarten und halbverdaute Deutungen. In einer der Gesprächssequenzen, in denen Herzog den Dalai Lama um die Erklärung wichtiger Riten bittet (nicht ohne sie zuvor als seine eigenen auszugeben), sagt ihm der Dalai Lama schelmisch: "Jeder ist das Zentrum des Universums" - und trifft damit Herzog im Innersten. Dessen Ich-Gehabe - seit jeher auch ein Herzog-Markenzeichen - steht in geradezu komischem Kontrast zur Bescheidenheit des Dalai Lama (ganz zu schweigen von jener der Pilger), verhindert die Beantwortung der Fragen, die er als seine zentralen verkauft. Beispielsweise die, die der Dalai Lama aufwirft: Wie soll man sich einer fremden Religion nähern? Und soll man überhaupt?

Herzog beendet seinen Film mit dem Bild eines Mönchs, der das Ende der Kalachakra nicht bemerkt zu haben scheint und fragt, ob er wohl glücklich geworden sei. Hoffen wir es. Wir sind es nicht. Leider.

10.11.2020

3

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Kommentare

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yaktreiber

vor 19 Jahren

Manche können nicht einmal den kleinen Schritt zur Symbolik tun, die den ganzen Buddhismus prägt...
Dann würde man nämlich merken, dass es sich hierbei um den alten Kampf zwischen Gut und Böse handelt.


251161

vor 19 Jahren

Der Film beschönigt Dinge, die der Laie kaum kennt. Dass nämlich dass Kalachakra-Tantra ein sexualmagisches Instrument zur Eroberung der Welt durch den Dalai Lama darstellt. In einer blutigen Endzeitschlacht werden alle Nichtbuddhisten durch den Rudra Chakravartin vernichtet. Unterstützt durch die reinkarnierten Lamas, an deren Spitze der Dalai Lama selber stehen wird. Das Ritual ist mitnichten ein friedvolles Ritual, sondern soll diese Endzeitschlacht herbeiholen und dem Dalai Lama uneingeschränkte Macht über die Welt geben. Diese nicht bekannten Hintergründen habe dazu geführt, dass in Deutschland und Oesterreich lauter Protest erhoben wurde gegen das Ritual. Wer die Fachliteratur kennt, weiss darum. Herzog streut dem Zuschauer Sand in die Augen.

Der tantrische Buddhismus mit seinem linkshändigen Pfad ist menschenverachtend, voller okkulter und grausiger Praktiken und alles andere als geeignet, in unserem Kulturkreis lieb gemacht zu werden.Mehr anzeigen


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