So weit die Füsse tragen Deutschland 2001 – 153min.

Filmkritik

Grenzerfahrungen eines Kriegsgefangenen

Filmkritik: Andrea Bleuler

Fünfzig Jahre nach seinem Erscheinen ist der gleichnamige Bestseller über das Schicksal eines deutschen Kriegsgefangenen als Kinofilm verarbeitet worden. Die sonderliche Mischung aus Abenteuerkino und Heimatfilm hat groteskerweise eine unfreiwillig komische Wirkung.

Nazi-Oberleutnant Clemens Forell (Bernhard Bettermann) ist nach Ende des zweiten Weltkriegs von einem sowjetischen Militärgericht zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Bereits auf der Anreise zum Lager am sibirischen Ostkap stirbt ein Drittel der Gefangenen. Auf die Überlebenden wartet der schleichende Tod. 1947 gelingt Forell das Unglaubliche: Mit Hilfe des Lagerarztes Dr. Stauffer (Michael Mendl) kann er aus dem Lager fliehen, und nach einem fünfjährigem Fussmarsch durch Asien kehrt er in sein Heimatland zurück.

1959 hatte der schlichte Tatsachenbericht von Josef Martin Bauer die Vorlage für den ersten Strassenfeger der Deutschen Fernsehgeschichte geliefert. Damals war das Thema brandaktuell, da immer noch viele Angehörige aus der Kriegsgefangenschaft zurückerwartet wurden. Vierzig Jahre später hat nun das Prädikat "basierend auf einer wahren Begebenheit" das Autorenteam zu einer emotionalen Ausschlachtung der übelsten Art beflügelt.

Regisseur, Produzent und Co-Drehbuchautor Hardy Martins ("Cascadeur - Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer") hat seine berufliche Laufbahn als Stuntman begonnen - was seine Prioritäten bis zu einem gewissen Grad erklärt. Im Vordergrund steht die Besorgnis, eine möglichst grosse Menge an Gewalt, Widerlichkeiten und Action zu vermitteln. Ernsthaft Zwischenmenschliches bleibt grundsätzlich auf der Strecke - dafür wird mit Streichereinsatz konstant kräftig nachgesalbt. Die raren Dialoge sind dementsprechend dürftig, und Schauspieler Bettermann gelingt das Kunststück einer meist einsamen und vor allem ewigen Beinahe-Pantomime.

Mit epischen zwei Stunden und vierzig Minuten ist man zwar immer noch einiges von der realen Dauer des Fussmarschs entfernt. Von erzählerischer Komposition kann aber nicht die Rede sein: Fakten und Orte werden lediglich aneinandergereiht. Oder genauer: eine Dramatisierung des Stoffes hat gar nicht stattgefunden. Um sein Publikum bei der Stange zu halten, hat sich Martins dennoch auf ein paar erzählerische Kunstgriffe besonnen. So ist das trübe Kriegsgefangenenschicksal mit einer Prise Liebesgeplänkel und einem bedeutungsschwangeren Langzeit-Duell zwischen dem sowjetischen Straflager-Verantwortlichen und Forell aufpoliert worden.

Zweifelsohne hat Deutschlands beliebtestes Nachkriegs-Genre - der Heimatfilm - das Autorenteam inspiriert. Triefende häusliche Biederkeit und der Glaube an Gott sind es nämlich, so wird vermittelt, die den Kriegsverbrecher Forell zu seiner unglaublichen Leistung anspornen. In regelmässig eingeschnittenen Szenen wird an die Idylle in der Heimat erinnert, wobei diese emotionalen Momente stets in bayerische Frömmigkeit gehüllt sind, nach dem Motto "himmlischer Schutz den Gerechten".

Spätestens als der Held seine betrogene Ehefrau, Töchterchen "Lieschen" und Stammhalter "Frieder" an Weihnachten in der Kirche in die Arme schliesst, während der Kinderchor singt, ist es jedenfalls um jegliche Ernsthaftigkeit geschehen. Es muss gelacht werden, sonst ist dieses Kinoerlebnis schwer verdaulich!

17.02.2021

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 20 Jahren

Hallo

Ich finde, eure Kritik an diesem Film ist ein wenig übertrieben! Woher wollt ihr wissen, ob Forell ein Nazi war? Das wird im Film nie erwähnt! Ebenso finde ich, dass die Gefühle nicht auf der Strecke bleiben!


brunofellinger

vor 21 Jahren

Hervorragende Bilder, ergreifende Story


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