Volevo nascondermi Italien 2020 – 120min.

Filmkritik

Ein Aussenseiter, von der Muse geküsst

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Giorgio Dirittis Biopic über den Art-brut-Künstler Antonio Ligabue ist grosses farbiges und ein bisschen verrücktes Kino. Der Film lebt vor allem vom starken Spiel seines Hauptdarstellers Elio Germano.

Antonio Ligabues frühe Jahre – so zumindest wird es in diesem Film von Giorgio Diritti dargestellt – sind ein Albtraum. 1899 als Kind einer Italienerin in Zürich ausserehelich geboren, wächst Ligabue in einer Pflegefamilie in der Ostschweiz auf. Er ist kognitiv beeinträchtigt und tut sich schwer mit anderen Menschen. Die Lehrer bestrafen ihn, die Schulkameraden verlachen ihn und der Pflegevater kommt mit ihm nicht zurecht. Einzig die Pflegemutter streicht ihm bisweilen zärtlich über den Kopf, versucht zwischendurch gleichwohl aber auch ihm den Teufel auszutreiben.

Ligabue wechselt die Familie, kommt in ein Heim, landet verhaltensauffällig in einer psychiatrischen Anstalt. 1919 wird er nach Italien abgeschoben. Seine Heimat und deren Sprache sind ihm fremd. Er haust verwildert in einer Hütte am Ufer des Po in der Umgebung von Gualtieri, wo ihn der Bildhauer Renato Marino Mazzacurati entdeckt. Mazzacurati erkennt Ligabues künstlerische Begabung. Er nimmt ihn bei sich auf, besorgt ihm Pinsel und Farbe. Als Mazzacurati in den 1930er-Jahren nach Rom zieht kümmert sich seine Mutter um Ligabue. Sie ist die zweite Frau, die ihm über den Kopf streicht.

Ligabue formt für die Kinder des Dorfes Figuren aus Lehm und malt. Tiere und Landschaften, Frauen und Mädchen, manchmal und immer öfters, sich selbst. Seine Bilder, farbenprächtig und stark im Strich, verorten sich zwischen Art brut und Expressionismus und erregen Aufmerksamkeit. Nachdem auch Mazzacuratis Mutter nach Rom gezogen ist, lebt Ligabue zwischen Armenhaus und Sanatorium.

Seine Werke aber werden in der Nachkriegszeit allmählich entdeckt. Sie eröffnen ihm den Zugang zur Welt der Kunst und den schönen Dingen: einem Motorrad, einem Grammophon, einem Auto, einem Haus. Doch Ligabue passt nicht in diese Welt und seine Sehnsucht nach einer ihn liebenden Frau bleibt unerfüllt.

Diritti erzählt fragmentarisch und zeitlich sprunghaft, wobei er sich inszenatorisch immer wieder auf die emotionale Ebene seine Protagonisten begibt. Derweil Ligabues Gemälde den Film bisweilen eine satte Farbigkeit verpasst, bevorzugt Kameramann Matteo Cocco eine surreale Zwielichtigkeit. Aus dem Gros solider Künstlerbiografien wirklich herausstechen allerdings lässt „Volevo nascondermi“ das intensiv-instinktive Spiel von Hauptdarsteller Elio Germani.

26.04.2021

3.5

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