CH.FILM

Sekuritas Schweiz 2019 – 115min.

Filmkritik

Abgesang auf Sicherheit und Sehnsüchte

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Gebäude «sinniert», möchte noch eine Liebesgeschichte erleben, bevor es abgerissen wird. Filmautorin Carmen Stadler erweckt in ihrem ersten Langspielfilm den ehemaligen Bürokomplex der Tonbandfirma Studer-Revox zum Leben. Dabei begegnen sich in der Nacht eine Wachfrau, ein Putzmann, ein Direktor vor dem Aus und andere verlorene Geister. Ein spinniger Spuk über fragile Sicherheit und stille Sehnsüchte.

Wenn Mauern oder Häuser erzählen könnten, ist ein belebter Satz angesichts einer bemerkenswerten architektonischer Stätte, eines historischen Bauwerks, einer Stadt, eines Schauplatzes. Die Filmerin Carmen Stadler (Buch und Regie) hat einem Gebäudekomplex eine Stimme gegeben, hat ihn zu einem Kommentar animiert. Es handelt sich um das ehemalige Fabrik- und Verwaltungsgebäude der bahnbrechenden Tonbandfirma Studer-Revox in Regensdorf. Die Geschichte der Firma, die einst höchste Massstäbe in Sachen Tonbandgeräte und Wiedergabe setzte, berühmt wurde in den Achtziger- und Neunzigerjahren, spielt dabei keine Rolle.

Der Gebäudekomplex erhebt seine Stimme (hörbar nur für Kinozuschauer), erzählt von seinen Bedürfnissen und seinem Wunsch, noch eine Liebesgeschichte zu erleben, bevor es allenfalls platt gemacht wird. Nur wenige Menschen bewegen sich nachts in diesem labyrinthartigen Komplex. Eine Wachfrau (Kathrin Veith) stromert durch die Gänge und Flure, kontrolliert, diszipliniert. Der Putzmann (Duraqid Abbas Ghaieb) mit arabischen Wurzeln gefällt ihr wohl insgeheim. Sie fühlt sich angezogen, bleibt aber lange auf Distanz zum Fremden, zum Verführerischen.

Der Rollentausch mit einer verträumten Sekretärin (Jeanne Devos) ist nur ein unbestimmtes Zwischenspiel. Ein Chef, der sich mit einer Abschiedsrede plagt, kommt einem komischen Koch näher. Menschen begegnen sich in menschenleeren Räumen, berühren sich und verlieren sich wieder. Sicher ist niemand – und alleine offenbar auch nicht. Und ein totes Gebäude lebt.

Carmen Stadler, in Dielsdorf geboren, entwirft ein irrlichterndes, spinniges Szenarium – mit Lichtern, erhellenden und verlöschenden, dunklen Winkeln, Kellern, Büros, und endlosen Fluren, magisch und doch auch profan, spielerisch und poetisch. Sekuritas ist auch eine Parabel über Verlorenheit und Verliebtheit, über fragile Sicherheit und Sehnsüchte. Ein Film, wie er nicht alle Tage oder Nächte im Kino zu sehen ist.

17.07.2020

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 3 Jahren

In der Tat, nicht alle Tage so zu sehen.
Aber irgendwie auch ein Pladoyer für striktes Homeoffice ;-)


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