Puzzle USA 2018 – 103min.

Filmkritik

Das eigene Leben neu entdecken

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Marc Turtletaub erzählt wohltuend unaufgeregt, wie eine Frau Mitte vierzig sich zu emanzipieren beginnt.

Gross die Welt zu verändern liegt Agnes nicht. Sie hat jung geheiratet und ist früh Mutter geworden. Die Familie lebt bescheiden in einem kleinen Haus im ländlichen Connecticut. Dass ihr Mann Louie fürs Einkommen sorgt, derweil sie sich um Kinder und Haushalt kümmert, ist für Agnes selbstverständlich. Ebenso, dass sie an ihrem Geburtstag die Party vorbereitet, ihre eigene Torte bäckt, die Gäste bedient und, wenn alle gegangen sind und Louie und die beiden Söhne längst selig schlummern, noch aufräumt und putzt. Am nächsten Morgen findet Agnes unter den Geschenken ein iPhone und ein tausendteiliges Puzzle. Das Smartphone ist ihr nicht geheuer. Das Puzzle aber packt sie aus, setzt sich an den Tisch und stellt staunend fest, dass ihr das Zusammensetzen nicht nur leicht fällt, sondern auch Spass macht.

Derart Spass, dass Agnes, welche in den letzten Jahren das Haus nur verliess, um zur Kirche zu gehen oder eine ihrer Freundinnen zu besuchen, mitten am Tag nach New York fährt und sich in einem Spielgeschäft zwei weitere Spiele ersteht. Beim Verlassen des Ladens fällt ihr Blick auf einen Aushang, in dem ein Puzzle-Spieler einen Trainingspartner sucht. Und noch einmal tut Agnes, was sie bisher nie tat: Sie schreibt die erste SMS ihres Lebens. Die Antwort kommt postwendend, und damit beginnt für Agnes, ohne dass die Familie das vorerst mitbekommt, ein neues Leben. Fortan nämlich fährt sie zweimal wöchentlich heimlich nach New York und trainiert für die nationalen Meisterschaften. Dabei entdeckt sie nicht nur ihr analytisches Talent, sondern in der Begegnung mit dem Witwer Robert – er kommt aus Indien, ist von Beruf Erfinder, gebildet und superreich – eröffnen sich ihr auch Blicke auf bisher fremde und exotische Welten.

Marc Turtletaub – man kennt ihn als Produzent von tollen Filmen wie Little Miss Sunshine und Louder Than Bombs – erzählt wohltuend unaufgeregt und mit viel Respekt für seine Protagonisten. Nicht nur für die von Kelly MacDonald zurückhaltend-intensiv gespielte Agnes, sondern auch für Irrfan Khans feinfühlig die Contenance bewahrenden Robert, sowie den von David Denman gespielten, zunehmend verunsicherten Louie. Puzzle ist – in vielem vorhersehbar – kein grosser Wurf, vermag als stimmungsvolle Milieustudie aber zu fesseln. Und wenn Turtletaub zum Schluss das eher unerwartete Ende serviert, hat man definitiv ein wunderbar feinsinniges Emanzipationsdrama gesehen.

26.03.2024

3.5

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Kommentare

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shoshanna

vor 4 Jahren

Ein stiller Film, der unter die Haut geht


nick74

vor 5 Jahren

Sehr gut, zum Glück keiner dieser Ami-Hero Filme, bei dem die graue Maus die "bösen" Gegner besiegt


Barbarum

vor 5 Jahren

Die Teile passen zum Schluss zwar gefällig zusammen, und Kelly Macdonald in "Puzzle" zuzusehen, wie sie sich an der Seite von Irrfan Khan aus ihrem tristen Alltag rauspuzzelt, ist nicht so belanglos, wie es sich anhört, dennoch fühlt es sich an, als fehlten entscheidende Teile, um ein vollendetes Gesamtbild zu präsentieren.Mehr anzeigen


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