Gundermann Deutschland 2018 – 128min.

Filmkritik

Dieser Liedermacher – ein Mann aus dem Volk

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Andreas Dresen entwirft in seinem Biopic über den deutschen Liedermacher Gerhard Gundermann ein fein ziseliertes Porträt der deutsch-deutschen Gesellschaft.

Gerhard „Gundi“ Gundermanns Lieder als „gross“ zu bezeichnen ist übertrieben: Es sind im urtümlichsten Sinn Klampfensongs. Doch sie tasten präzis nach Befindlichkeiten. Spiegeln auf eigenem Erleben beruhend einfühlsam Heimatgefühle, und ihre Melodien gehen unmittelbar ins Ohr. Zu hören – wieder zu hören und neu zu entdecken – sind sie in Andreas Dresens Biopic über den Liedermacher, der 1998 relativ jung verstorben heute als einer der wichtigsten Künstler der Nachwende-Zeit gilt.

Gerhard Gundermann wurde 1955 in Weimar geboren. Nach einem kurzen Intermezzo als Politoffizier wurde er wegen Widerspenstigkeit suspendiert. Er liess sich zum Facharbeiter ausbilden, begann zu schreiben und singen. Lange Zeit galt er als Sprachrohr des einfachen Volkes. Dies nicht zuletzt, weil er – selbst als er von der Musik hätte leben können – nach wie vor in einer Braunkohlengrube arbeitete und sich immer wieder systemkritisch äusserte. Dabei hatte Gundermann, doch das kam erst nach der Wende an den Tag, auch seine dunkle Seite: Er war jahrelang ein Informant der Stasi.

Gundermann entwickelt sich auf zwei Ebenen parallel. Die eine spielt Anfang der 1990er-Jahre. Gundermann lebt mit seiner Jugendfreundin Conni und den gemeinsamen Töchtern in einem Reiheneinfamilienhaus in Hoyerswerda. Hauptberuflich arbeitet er nach wie vor als Baggerfahrer. Nebenbei aber stellt er eine neue Band zusammen und nimmt nach der trubelreichen Wende seine Musikerkarriere wieder auf. Dabei kommt er, und das wird auf der zweiten Ebene erzählt, nicht umhin, sich seiner bisher (glänzend) verdrängten Vergangenheit zu stellen: seinen Jahren als Stasi-Spitzel ebenso wie seinen Protestaktionen, die seinen Parteiausschluss nach sich zogen, nicht zuletzt auch der zerrütteten Beziehung zu seinem Vater.

Dresen erzählt pragmatisch und unsentimental. Die Settings – das riesige Braunkohlewerk, die kargen Büroräume, die mit Liebe zum Detail eingerichteten Wohnungen – wirken authentisch. Alexander Scheer in der Hauptrolle sieht seinem Vorbild verblüffend ähnlich und interpretiert selber auch alle Songs. Obwohl Gundermann hie und da durchhängt und die Erzählebenen sich bisweilen verwirrend mischen, ist Dresen mit diesem Biopic, das die Frage nach der bewussten Täterschaft letztlich souverän unbeantwortet lässt, ein grossartig gelassener Beitrag zur deutsch-deutschen Geschichte gelungen.

26.03.2024

4

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