Rodin Belgien, Frankreich, USA 2017 – 119min.

Filmkritik

Balzac - Besessener, Bildhauer, Berserker

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Er war ein besessener Künstler – skandalträchtig wie erfolgreich. Der Franzose Auguste Rodin, dessen «Höllentor» auch das Zürcher Kunsthaus ziert, gilt als Wegbereiter der modernen Skulptur. Jacques Doillon hat ihm ein filmisches Denkmal gesetzt – schonungslos intim und wuchtig wie seine Werke.

Paris 1880. Einblick in ein Atelier: Ein Holzgerüst wie ein Tor, bestückt mit einzelnen unfertigen Figuren. Der Bildhauer Auguste Rodin hat vom französischen Staat den Auftrag erhalten, ein Bronzetor für das Musée des Arts Décoratifs in Paris zu entwerfen und zu realisieren: «Das Höllentor». An diesem Werk mit 300 Figuren, inspiriert von Dantes «Göttlicher Komödie», arbeitete er bis zu seinem Tod 1917. Seit 1949 ist es der Fassade des Zürcher Kunsthauses angegliedert (eines von insgesamt acht gegossenen Exemplaren weltweit).

Immer wieder beobachtet die Kamera (Christophe Beaucame), wie Rodin schaut, formt, verwirft, verändert, wie er den Figuren Gestalt gibt… Sie wirken oft grob, ungehobelt, unvollendet. Auf Schönheit kam es ihm nicht an, für einmal trifft das Wort Bildhauer haargenau. Er suchte die innere Wahrheit. Seine jahrelange Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Balzac-Monuments, das die Auftraggeber anfangs als zu nackt, klotzig und grob einstuften, ist ein Thema des Spielfilms von Jacques Doillon. Am Ende erleben wir, wie diese mächtige Statue in Japan heute von Kindern berührt, bestaunt und besehen wird.

Rodin ist kein Biopic, kein umfassendes Porträt, eher eine punktuelle Werk- und Menschenschau. Wir schauen dem Bildhauer quasi über die Schulter, wenn er die zahllosen Nacktmodelle drapiert, in Pose setzt, zeichnet. Wir erleben, wie er begehrt, sich mit Modellen vergnügt, aber auch wie er mit der Schülerin, der Assistentin, dann Geliebten Camille Claudel (Izïa Higelin) umgeht, sich ihrer bedient und sie liebt – auf Zeit.

Der «Schöpfer» Rodin ist, menschlich gesehen, ein Mann und Monster – in Doillons radikalem Künstlerbild fürs Kino. Die zwei Frauen, die sein Leben mitgetragen haben, die Geliebte Claudel, die ihm gleichwertig war, sich aber künstlerisch nicht von ihm lösen konnte und verkümmerte, und Rose Beuret (Séverine Caneele), die dralle, bäuerische Lebensgefährtin, die ihm trotz all seiner Affären treu blieb und die er 1917 heiratete. Beide darben im Schatten Rodins.

Camille Claudel diktierte Rodin einen Partnerschaftsvertrag, den er jedoch nie einhielt. Sie trennte sich 1893 von ihm («Ich lasse mich von dir nicht mehr aussagen»). Der Rest ihres Lebens (bis 1943) war eine einzige Krise, sie litt an psychischen Erkrankungen, verbrachte die 30 letzten Lebensjahren in psychiatrischen Anstalten.

Doch ihr Schicksal ist kein Thema für den freizügigen, freilich auch behäbigen und langatmigen Rodin-Film. Er konzentriert sich auf den Wegbereiter der modernen Bildhauerkunst und Skulpturen. Vincent Lindon verkörpert ihn kolossal körperlich, eindrücklich. Eine Wucht, wenn auch selten sympathisch. Erwähnt sei auch, dass Zeitgenossen wie der Dichter Rainer Maria Rilke (Anders Danielsen Lie), der Schriftsteller Victor Hugo (Bernard Verley), die Maler Claude Monet (Olivier Cadiot) und Paul Cézanne (Arthur Nauzyciel) Kurzauftritte absolvierten: Kleine Zeitzeichen sozusagen.

03.04.2024

4

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