CH.FILM

Une jeunesse allemande Frankreich, Deutschland, Schweiz 2015 – 93min.

Filmkritik

Die Radikalisierung einer Jugend

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Jean-Gabriel Périot zeigt in seinem Langfilmdebüt den Weg von unbescholtenen, politisch interessierten Studenten in den staatsfeindlichen Terror der RAF auf.

Es war Ende der 60er-Jahre, als die Protestbewegungen der USA auch in die BRD gelangten. Immer mehr Studenten und Bürger lehnten sich gegen das Verdrängen der NS-Vergangenheit auf, die eigenen Eltern, die Obrigkeit und den Kapitalismus. Ziel der Bewegung war es, die "herrschenden Verhältnisse" in der BRD in Frage zu stellen und gegen das autoritäre System zu kämpfen. Dieser Generation gehörten auch Ulrike Meinhof, Horst Mahler sowie Holger Meins an, die später zu führenden Köpfen der Terrororganisation RAF werden sollten. Die Dokumentation Une jeneusse allemande begibt sich auf Spurensuche in die 68er-Generation und zeigt die Radikalisierung harmloser junger Menschen auf.

Une jeneusse allemande ist das Langfilmdebüt des französischen Cutters und Videokünstlers Jean-Gabriel Périot, der in seinen Arbeiten seit jeher die verschiedenen Ausprägungen menschlicher Gewalt hinterfragt. Sein neuer Film wirft einen Blick von außen auf Deutschland der terroristischen RAF-Ära, dem radikalsten Kapitel in der Geschichte des Landes seit 1945. Das Besondere an seinem Film ist, dass er auf jegliche Kommentierung und Einordnung verzichtet. Ausschließlich auf umfangreiches, seltenes Archivmaterial bauend, muss sich jeder Betrachter eine eigene Meinung bilden.

Kunstvoll und ästhetisch verwebt Périot seine Fülle an raren Archivaufnahmen, historisch bedeutsamen Originalbildern und Ausschnitten von Interviews und Reden zu einem spannenden Bewegtbild-Potpourri. Zu sehen ist u.a. Willy Brandts lange vergessene Rede an das erste Semester der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) 1966. Im Publikum: Die späteren Vorzeige-Kämpfer gegen den Staat: Meinhof, Mahler und Co. Darüber hinaus zeigt Une jeneusse allemande Szenen von frühen Studenten-Filmen aus den Anfängen der DFFB, bei denen auffällt, dass die Studenten mit ihren Arbeiten vor allem eines wollten: provozieren.

Besonders eindringlich und intensiv sind die Aufnahmen von der "Schlacht am Tegeler Weg", einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und Demonstranten, die im November 1968 am Tegeler Weg in Charlottenburg stattfand. Bilanz des Schreckens: 130 verletze Polizisten und 22 verletzte Demonstranten. Schlimm, ohne Frage, aber leider kein Vergleich zu dem, was wenige Jahre später die RAF noch anrichten sollte. Das Problem des Films: er verzichtet auf jegliche Off-Kommentierung bzw. Voice-Over und macht damit ein hohes Maß an Hintergrundwissen und Kenntnis im Vorfeld des Films unabdingbar, um den Film bzw. dessen Aussagen vollends erfassen und verstehen zu können. Insofern ist er in erster Linie für Geschichts- und Politikinteressierte zu empfehlen.

14.04.2024

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