Francofonia Frankreich, Deutschland, Niederlande 2015 – 87min.

Filmkritik

Der Krieg, die Kunst und der Mensch

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Mit Francofonia schließt der russische Autorenfilmer Aleksandr Sokurov an seinen in einer einzigen Einstellung gedrehten Museumsfilm Russian Ark von 2002 an. Dieses Mal steht allerdings nicht die Eremitage in Sankt Petersburg im Zentrum seiner Ausführungen, sondern der Louvre im Paris des Zweiten Weltkriegs.

Mit Jacques Jaujard (Louis-Do de Lencquesaing) und Graf Wolff-Metternich (Benjamin Utzerath) lässt Sokurov in Spielfilmsequenzen zwei Männer aufeinandertreffen, die sich zunächst skeptisch beäugen. Während sich Ersterer als Museumsdirektor des Louvre zur Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs darum bemüht, die kostbaren Schätze der Sammlung vor dem Zugriff der Nazis in Sicherheit zu bringen, ist Letzterer zwischen Kunstbewunderung und Anweisungen von höherer Stelle hin- und hergerissen. Gemäß einem Führerbefehl sollen alle kulturellen und "herrenlosen jüdischen" Kunstgegenstände von Wert konfisziert werden. Doch Wolff-Metternich will keineswegs eine Zerstörung unschätzbarer Werke in Kauf nehmen und arbeitet schließlich mit Jaujard zusammen, was anderen NS-Autoritäten übel aufstößt.

Anhand der überaus faszinierenden Beziehung zwischen dem französischen und dem deutschen Verwaltungsbeamten zeigt Sokurov auf, dass es selbst unter den widrigen Umständen eines grausamen Krieges möglich ist, humanistische Werte zu verteidigen. Gleichzeitig wirft der russische Filmemacher aber auch einen wehmütigen Blick auf den Raub und die Zerstörung großartiger Kulturgüter in der Sowjetunion, in Polen und im restlichen Osteuropa, wo eine umsichtige Kollaboration wie zwischen Jaujard und Wolff-Metternich nicht existierte.

Nachdrücklich betont Sokurov, der regelmäßig als Sprecher aus dem Off zu hören ist, den Wert von Kunst für die Menschheit und damit auch die enorme Bedeutung von musealen Räumen. Immer wieder nutzt er die im Mittelpunkt stehende Annäherung zwischen Direktor und deutschem Kunsthistoriker für Reflexionen über die Geschichte des Louvre und den Umgang mit kulturellen Erzeugnissen im Allgemeinen. Wochenschauaufnahmen werden kombiniert mit Kamerafahrten durch das weltberühmte Museum und die Straßen der Seine-Metropole. Und wiederholt tauchen Napoléon Bonaparte (Vincent Nemeth) und die französische Symbolfigur Marianne (Johanna Korthals Altes) in fiktiv-amüsanten Szenen beim Spaziergang durch den Louvre auf.

Sicherlich dauert es eine Weile, bis man sich an die eigenwillige Aufmachung des Essayfilms und den manchmal zu prominenten Kommentar des Regisseurs gewöhnt hat. Ist das allerdings geschafft, wird man mit einigen spannenden Einsichten und Denkanstößen belohnt.

19.02.2024

4

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