Eisenstein in Guanajuato Belgien, Finnland, Frankreich, Mexiko, Niederlande 2015

Filmkritik

Von Revolutionen und Schwänzen

Filmkritik: Andrea Wildt

Der Brite Peter Greenaway hat den allerersten Spielfilm über Sergei Eisenstein gedreht. Der russische Regisseur revolutionierte in den 1930er-Jahren die Filmmontage und wurde weltberühmt. Seine Homosexualität hingegen war bisher eher Randthema.

Für Greenaway ist Sergei Eisenstein der ultimative Vater des Kinos. Bis heute kommt, wer Film studiert, nicht an den Experimenten des Russen über die Funktionsweise der Montage von Filmbildern vorbei, die der exzentrische Meister in unzähligen Büchern, Manifesten und Essays festhielt. Mit seinen ersten Filmen erlangte Eisenstein zu Zeiten der russischen Revolution Berühmtheit, ging nach Hollywood, nach Misserfolgen dann nach Mexiko. 1930 bis 1931 verbrachte er einige Monate in Guanajuato, um einen Film über das Land und seine Evolution zu drehen. Das Projekt scheiterte und ¡Que viva mexico! wurde erst nach Eisensteins Tod fertiggestellt.

Peter Greenaway interessiert genau dieser Tiefpunkt der Karriere Eisensteins. Von Hollywood abgelehnt und dem homophoben Heimatland fern erlebte der 33jährige Filmemacher in Mexiko seine "zehn Tage, die Eisenstein erschütterten." Anstatt eifrig dialektische Filme für die kommunistische Revolution zu produzieren, lässt sich der junge Russe (gespielt von Elmer Bäck) von seinem mexikanischen Guide Palmino (Luis Alberti) in die Tiefen der Siesta und der Penetration einweisen. Eine provokante Entjungferungsszene bildet dann auch den Höhepunkt des fast zweistündigen Films, während der – wie auch im restlichen Film – viel gequatscht wird.

Ein Film über Eisenstein muss gezwungenermassen etwas in der Montage seiner Filmbilder riskieren. Eisenstein in Guanajuato ist folglich insbesondere visuell eine Herausforderung, denn er stellt seine Künstlichkeit förmlich aus: Die Leinwand wird ohne Unterlass fünfgeteilt, die Sichtpunkte der Kamera wechseln immerfort oder aber Räume werden digital verformt oder mit langatmigen Kamerafahrten durchfahren. Zahlreiches dokumentarisches Bildmaterial mischt sich mit Zitaten und Anekdoten von damals. Eine wahre Orgie an Bilderwelten! Streckenweise ergibt das ganz interessante Effekte, auf die Dauer aber wirkt es eher ermüdend als erkenntnisbereichernd.

Trotzdem ist Eisenstein in Guanajuato zuerst ein physischer und erst in zweiter Linie ein intellektueller Film. Wir sehen Eisenstein bei zahlreichen heissen Duschen, im Zwiegespräch mit seinem Penis, mal kotzend oder gar kacken. Und nur selten hält er dabei den Mund. Man sagt, Eisenstein sei ein begnadeter Witze-Erzähler gewesen. Im Film leider ist er das nicht. Elmer Bäck gibt seinem Eisenstein grossartig clownesk, immer bereit für wirre Ideen und luftiges Philosophieren. Doch den roten Faden bilden hier längst keine politischen Ideen mehr, sondern lästige Riesenfliegen, der Tod und erigierte Schwänze.

13.02.2015

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