Saint Laurent Frankreich 2014 – 150min.

Filmkritik

«Für einen Mondrian braucht es ein ganzes Leben»

Filmkritik: Andrea Wildt

Mit Saint Laurent kommt dieses Jahr bereits die zweite Verfilmung des Lebens des Modeschöpfers Yves Saint Laurent ins Kino. Nach dem Franzosen Jalil Jespert versucht sich nun sein Landsmann Bertrand Bonello am widerspenstigen Stoff des gefeierten Modegenies und selbstzerstörerischen Depressiven. Mit eigenwilliger Dramaturgie und einer brillanten visuellen Aufmachung gelingt Bonello hingegen ein Porträt, das seiner Vorlage auf Augenhöhe begegnet.

Yves Henri Donat Mathieu-Saint-Laurent wurde 72 Jahre alt. In seiner Zeit als Designer und Modeschöpfer revolutionierte er die komplette Frauengarderobe: von der Haute-Couture-Jeans über den Nude-Look bis zum Hosenanzug verdankt ihm die Frauenwelt das passende Kostüm zur Emanzipationsbewegung der Zeit. Hinter seiner Begabung in schönen Dingen verbarg sich aber auch ein Mensch, der sich dem Rausch hingab. Man erzählt, dass Yves Saint Laurent nach seiner Einberufung in den Algerienkrieg einem Nervenzusammenbruch erlag. Die Behandlung in einer psychiatrischen Anstalt brachte ihn in eine lebenslange Drogenabhängigkeit und Depression.

Vier Jahrzehnte Modegeschichte, über 5'000 revolutionäre Entwürfen, diverse Drogenexzesse und Skandale: Wie bekommt man solch ein Leben in einen regulären Kinofilm? Im Gegensatz zu Jalil Jespert in Yves Saint Laurent entschied sich Bertrand Bonello gegen eine chronologische Erzählweise. Vielmehr setzt er auf die Stimmung dieser rebellischen Zeit, die Verführung der schönen Dinge und die Langsamkeit des Rausches. Dafür erzählt er das Leben von Yves Saint Laurent nahezu zusammenhanglos sprunghaft in Zeit und Raum: Zu Beginn sehen wir Saint Laurent (Gaspard Ulliel) an einem Tiefpunkt seiner Karriere. Er mietet sich in einem Pariser Hotelzimmer ein, um einem Journalisten seine wahre Lebensgeschichte zu beichten. Wenig später durchschreiten wir die Stationen seiner Erfolge in den 1960er-Jahren mithilfe des Split Screens: Eine Seite der Leinwand zeigt die politischen Umwälzungen der Zeit, auf der anderen schreitet ein Model nach dem anderen die Wendeltreppe herunter. Mode und Gesellschaft laufen hier für einen Moment parallel, zugleich scheinen sie sich unnahbar fern.

Solche visuellen Schlüssel-Momente, die tausendfach mehr über den Modemacher und seinen destruktiven Kreationsakt erzählen als jegliche episodische Anekdote, kreiert Saint Laurent in seinen gut zwei Stunden immer wieder: Pfeilschnell macht da ein Strich aus der Skizze eines Rocks eine asymmetrische Hose, oder aber Saint Laurent entlässt hinterrücks eine Mitarbeiterin, welche abtreiben will. Und das nachdem er ihr zuvor gerade erst Mut zugesprochen hatte. Dieses Hin und Her zwischen Versatzstücken eines Lebens, seinen Widersprüchen, Siegen und Enttäuschungen setzt in dieser Verfilmung das Kaleidoskop des Lebens Yves Saint Laurents Zelle um Zelle zusammen: Am Ende strahlt es wie ein Mondrian-Gemälde im Hyper-Split-Screen von der Leinwand und wir erleben eines der wundervollsten Happy Ends der Filmgeschichte. Elegant, sachlich, aber auch feinfühlig wie der Meister.

18.02.2024

5

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