Feuchtgebiete Deutschland 2013 – 109min.

Filmkritik

Feuchtgebiete

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Unverfilmbar ist heute etwa jedes dritte Buch. Im Falle von Feuchtgebiete war man aber noch skeptischer als sonst. Weniger wegen grossen Menge innerer Monologe, die Carlotte Roches Megaseller auszeichnen, sondern vielmehr aufgrund der drastischen Offenheit, die ihn weit über das Körperliche hinaus auszeichnet. Damit tut man sich nicht nur im deutschen Kino gemeinhin nicht ganz leicht.

Dass Regisseur David Wnendt die Geschichte der 18-jährigen Helen (Carla Juri) verfilmt, die mit Gemüse onaniert, an Hämorrhoiden und einer Analfissur laboriert und vom Krankenhausbett aus ihre Eltern (Axel Milberg und Meret Becker) wiedervereinen will, erweist sich als Glücksfall. Schon mit Kriegerin hatte Wnendt sich als frische und markante Erzählstimme etabliert, was er nun mit Feuchtgebiete abermals untermauert. Mitunter bewegt er sich gefährlich nahe am Klamauk-Abgrund, und eine computeranimierte Bakteriensequenz erweist sich als vollkommen überflüssig. Doch der Tonfall ist leichtfüßig und amüsant, ohne allzu albern oder die Themen der Vorlage zu verwässern.

Überhaupt meistert er die Gratwanderung spielend, Roches Roman treu zu bleiben und sich gleichzeitig doch die nötigen filmischen Freiheiten zu nehmen. Das gilt auch für den Umgang mit den expliziten Problemzonen. Zwar gibt es von Blut bis Sperma allerlei Körperflüssigkeiten zu sehen, auch das eine oder andere Geschlechtsorgan ist mal im Bild. Aber ums Schockieren geht es da kaum, vieles wird der Phantasie des Zuschauers überlassen. Viel wichtiger ist ohnehin, wie in der Vorlage, die Erkenntnis, dass Ekel und Scham im Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität fehl am Platz sind.

Dass Feuchtgebiete dabei tatsächlich erstaunlich unverkrampft daherkommt und seiner jungen, durchaus komplizierten Protagonistin auf Augenhöhe begegnet, verdankt sich nicht zuletzt Carla Juri in der Hauptrolle. In der Schweiz bereits zweimal mit einem "Quartz" ausgezeichnet, in Deutschland dagegen noch völlig unbekannt, ist die Tessinerin eigentlich einige Jahre zu alt für die Hauptrolle. Auch die schweizerische Färbung ihres Hochdeutsch ist nicht zu überhören und bleibt hier ein kleiner Fremdkörper. Doch solche Einwände funkelt Juri mit ungeahnter Leinwandpräsenz einfach weg – und lässt glücklicherweise vollkommen vergessen, dass in den Roman immer nur alle die Autorin selbst hineininterpretiert hatten.

12.08.2013

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 8 Jahren

Carla Juri spielt toll und der Film ist sicher sehr risikofreudig in seiner Erzählweise, aber die Geschichte war so langweilig und die Dialoge und die Handlungsweise wirkten mir zu überstilisiert.


thalito

vor 9 Jahren

Sowohl der Film als auch das Buch sind so dermaßen versaut.


gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Man mag ihn oder man mag ihn nicht.


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