Work Hard - Play Hard Deutschland 2012 – 90min.

Filmkritik

Der hohe Preis des schönen Scheins

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Wie war ihre letzte "Potenzialanalyse"? Wie zufrieden sind sie mit dem Resultat ihres Outdoor-Selbsterfahrungstrainings? Gehen sie in der Arbeit auf, sind sie im "Flow"? Falls sie solche Fragen beantworten können, müssen sie den beklemmenden Dokumentarfilm der deutschen Autorin Carmen Losmann anschauen. Und wenn nicht, erst recht.

Carmen Losmanns Streifzug in eine trügerische Berufswelt fängt in der Hamburger "Hafencity" an. Dort erläutern smarte Architekten an Modellen das Konzept für den Unilever-Bürokomplex, in dem ambitionierte, ehrgeizige, dynamische Arbeitnehmer unterwegs sind. Diese Damen und Herren sind vorwiegend im Dienstleistungsbereich tätig und geben für das Team, den Boss, die Firma (fast) alles. Sie sind darauf konditioniert, die Management-Vorgaben effizient zu erfüllen, um auf dem stets härter umkämpften Arbeitsmarkt zu bestehen.

Was dahinter steckt, hat man so raffiniert verbildlicht kaum je gesehen. Losmann taucht in die bizarre Welt der Assessment- und Motivationsexperten ein. Zuerst zeigt die elegant geführte Kamera lichtdurchflutete, oft menschenleere Innenräume, karg möblierte Konferenzzellen, supergestylte Empfangsbereiche: an die Wände werden stimmungsvolle Naturlandschaften projiziert, man hört sphärische Klänge und dezente Lautsprecherdurchsagen. Da und dort finden sich immerhin Kaffee-Stationen mit einem Hauch von Ikea-Kuscheligkeit; man soll ja auch mal entspannen und über Fussball reden dürfen.

Aber natürlich mit Mass: das Ambiente ist punktgenau auf die High-Tech-Office-Arbeitsbienen zugeschnitten, deren jeweilige Manpower man optimal nutzen und abrufen will. Wie man die Rekrutierung für diese Mitarbeiter-Spezies angeht, führt Losmann hautnah vor. Sie filmt Gespräche, wo hoffnungsvolle potentielle Kaderleute von aalglatten Befragern gelöchert werden. Oder sie begleitet Kandidaten, die in Outdoor-Trainingskursen mit verbundenen Augen durch enge unterirdische Gänge robben, Aufgaben lösen und dafür qualifiziert werden.

Das hat vom bequemen Sessel aus gesehen etwas schadenfreudig Voyeuristisches. Doch am Ende stellt man irritiert fest, dass man zu geistigen Komplizen der Gurus geworden ist, welche die sektenähnlichen Arbeitsstrukturen predigen. Auch wenn man mentalitätsmässig doch eher zu den von Existenz- und Versagensängsten gebeutelten Erwerbstätigen gehört. Diese Erkenntnis ist beklemmend und heilsam. Und sie beweist die Qualität von Work Hard - Play Hard: So trügerisch perfekt serviert und ohne schulmeisterliche Zusatzkommentare klug entlarvt wurde der subtile Ausbeutungsmechanismus der heutigen Arbeitswelt selten.

07.03.2022

4

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