Children of Sarajevo Frankreich, Deutschland, Türkei 2012 – 90min.

Filmkritik

Leben in einer geschundenen Stadt

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Rahima muss ihrem 14-jährigen Bruder die Eltern ersetzen. Mühsam halten sich die beiden über Wasser. Die bosnische Filmerin Aida Begić zeichnet das graue Alltagsbild eines Geschwisterpaars in der Stadt Sarajewo – 16 Jahre nach Ende der Belagerung.

Die Handkamera von Erol Zubčević ist der jungen Frau auf den Fersen, wenn sie in der Küche eines Restaurants arbeitet, sich umzieht, wenn sie wie ein Reh durch dunkle Gassen nach Hause huscht und ihren 14-jährigen Bruder versorgt. Das wirkt für den Zuschauer eine Weile störend und nervt, bis man sich an den Rhythmus und die Unruhe gewöhnt hat. Die Arbeitsweise unterstreicht den authentischen, dokumentarischen Stil der Filmemacherin Aida Begić.

Die 23-jährige Rahima (Marija Pikić) ist in einem angesagten Restaurant als Köchin angestellt. Der Verdienst reicht gerade für den bescheidenen Lebensunterhalt. Sie kommt auch für ihren jungen Bruder Nedim (Ismir Gagula) auf, seit sie beide aus dem Waisenhaus entlassen wurden. Rahima erhielt das Sorgerecht. Die Eltern sind bei der Belagerung Sarajewos (1992-1996) umgekommen. Nedim wird von Mitschülern gemobbt. Er sucht Kontakt zu dubiosen Kumpels, verwickelt sich in dunkle Geschäfte. Bei einer Schlägerei zerstört er das iPhone eines Mitschülers, Sohn eines einflussreichen Politikers. Und der macht Druck: Rahima soll das kaputte Mobiltelefon innert kurzer Zeit ersetze, welches das Dreifache ihres Monatslohns kostet. Der Druck, auch seitens der Sozialarbeiterin, verstärkt sich. Kann sie ihren Bruder vor dem Absturz bewahren? Kann sie ihre kleine fragile Gemeinschaft retten?

Die Geschwister tragen die Narben des Bosnienkriegs in sich und leiden in einer geschundenen Stadt. Blitzartig tauchen Bildfetzen vom Krieg auf, Töne, gehetzte Menschen, zerstörte Gebäude. Wie zum Schutz hat sich Rahima - nach einer Punkphase, wie man beiläufig erfährt – der Religion zugewandt und trägt ein Kopftuch. Ein Nachbar hat ein Auge auf sie geworfen. Doch Rahima schottet sich ab.Frisst der Krieg seine Kinder?

Mit Children of Sarajevo gelingt Aida Begić ein ungeschöntes verdichtetes Zeitdokument – düster, grau, aber nicht hoffnungslos. Im Alltagskampf ums Überleben, um Verantwortung und Würde bleibt kaum Zeit, kaum Kraft für Liebe und Familienwärme. Die Geschichte um das Geschwisterpaar spielt in der Weihnachtszeit, doch Freude kommt selten auf. Feuerwerkskörper werden um die Jahreswende abgebrannt. Sie erinnern an Kriegslärm, an die Belagerung Sarajewos, setzen aber auch Zeichen: Lichter für eine vielleicht bessere Zukunft.

28.03.2013

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 10 Jahren

bedrückende tonspur


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