Wer, wenn nicht wir Deutschland 2011 – 124min.

Filmkritik

Untergrund statt Kleinfamilie

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Auch nach Baader oder Der Baader Meinhof Komplex ist das deutsche Interesse am Reizthema RAF ungebrochen groß: Andreas Veiel schaffte es mit seinem ersten Spielfilm sogar in den Wettbewerb der Berlinale 2011.

Der Doku-Experte Andreas Veiel, der sich mit Black Box BRD schon einmal der Roten Armee Fraktion und vor allem dem Mord an Deutsche Bank-Chef Herrhausen angenommen hatte, rückt in Wer wenn nicht wir Bernward Vesper, den Sohn des NS-Autors Willi Vesper, und die spätere RAF-Mitgründerin Gudrun Ensslin als Protagonisten ins Zentrum.

In Tübingen lernen sie sich in den 60er Jahren als Studenten kennen, beide ringen auf ihre Art mit ihren Elternhäusern - Vesper (August Diehl) mit den strengen Altnazis, Ensslin (Lena Lauzemis) mit dem bieder-protestantischen Pfarrhaus - und nicht zuletzt mit sich selbst. Nach zahlreichen Streits und Trennungen beginnen sie einen Neuanfang in Berlin, wo sie eine Kleinfamilie gründen und immer stärker in den studentisch-gesellschaftlichen Widerstand hineingeraten. Als sich Ensslin schließlich in den deutlich radikaleren Andreas Baader (Alexander Fehling) verliebt, entscheidet sie sich für den Untergrund und gegen ihre Familie.

Zu jedem Zeitpunkt in Wer wenn nicht wir, der von der tatsächlichen RAF-Zeit nur noch die Anfangstage zeigt, spürt man Veiels dokumentarischen Blick, seine akribische Chronistensorgfalt. Das verleiht seinem Film in vieler Hinsicht Gewicht, nicht zuletzt weil manch unbekanntes Detail oder eine anders gelagerte Gewichtung den Weg hin zur RAF durchaus in ein neues Licht rückt. Ein Licht übrigens, dass Kamerafrau Judith Kaufmann in bemerkenswert subtilen Bildern einfängt.

Gleichzeitig aber sperrt sich der Film auch so sehr gegen eine konventionelle Spielfilm-Dramaturgie, dass Wer wenn nicht wir einen - auch aufgrund zweier kaum als Sympathieträger taugenden Protagonisten - ungewohnt kalt lässt. Neben der vom Theater kommenden, nicht immer den richtigen Ton treffenden Lauzemis glänzt aber zumindest Diehl mal wieder in einer schauspielerischen Tour de Force, und irgendwann nach dem Kinobesuch merkt man schließlich: wenn schon nicht emotional, dann wirkt dieser Film zumindest intellektuell noch eine ganze Weile nach.

15.09.2011

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Kommentare

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anabah

vor 11 Jahren

Sehr interessante Thematik, jedoch etwas langatmig. Das Verhalten der Hauptfiguren ist schwer nachvollziehbar, besonders das von Gudrun Ensslin.


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