CH.FILM

Wandlungen - Richard Wilhelm und das I Ging Schweiz 2011 – 87min.

Filmkritik

Der missionierte Missionar

Filmkritik: Eduard Ulrich

1873 wird Richard Wilhelm in Stuttgart geboren, 1899 wird er als Missionar nach China geschickt und entdeckt dort seine Bestimmung: Er vertieft sich in die klassischen philosophischen Werke von Konfuzius und Laotse, die er übersetzt, und so im Westen wichtige Impulse gibt. Seine Enkelin, Bettina Wilhelm, wandelt auf seinen Spuren und vermittelt Leben und Werk.

Bettina Wilhelm hat ihren Großvater, Richard Wilhelm, nicht persönlich gekannt, denn er starb vor ihrer Geburt mit nur 56 Jahren. Sie wurde aber in Schanghai geboren und war offenbar vom Leben und Wirken ihres Großvaters so fasziniert, dass sie es filmisch dokumentieren wollte. Dazu besucht sie seine damaligen Wirkungsstätten und kontrastiert die Bilder vom heutigen China mit Fotos und Berichten von damals. Da sie in Köln aufwuchs und anscheinend Mandarin nicht beherrscht, führt sie ihre Gespräche auf Englisch. Auf einer zweiten Schiene zeichnet sie die Wirkungslinien der Werkübersetzungen nach und trifft sich dabei mit einem führenden C.G.Jung-Forscher, der Wilhelms Einfluss auf Jungs Werk erläutert.

Jung war mit Wilhelm befreundet und ist sowohl ein exemplarischer als auch höchst prominenter Vertreter der an asiatischer Weisheit Interessierten. Man mag es als Ironie des Schicksals sehen, dass ausgerechnet das vom Zufall regierte Orakelspiel I Ging den größten Erfolg erzielte und bis heute - speziell in seiner englischen Übersetzung - millionmal verkauft wurde. Bettina Wilhelm befragt zwei deutsche Sinologen zur Bedeutung und Methodik dieses Exportschlagers, eine kritische Diskussion der aus westlicher oder naturwissenschaftlicher Sicht problematischen Aspekte wie beispielsweise das Verbot, ein und die selbe Frage zweimal zu stellen, unterbleibt leider. Die philosophisch interessanten Werke werden dagegen nur am Rande erwähnt. Immerhin entsteht ein plastisches Bild der Kolonialzeit, deren Kind Richard Wilhelm zweifellos war.

Trotzdem schaffte er es, sich von den damals üblichen und besonders in kirchlichen Kreisen verbreiteten Vorurteilen zu lösen und einen eigentständigen Zugang zu finden. So bemerkt er einmal, dass er nicht einen einzigen Chinesen getauft hätte, weil er es angesichts der chinesischen Weißheit und Weltanschauung als unpassend empfände. Stattdessen widmete er sich dem Studium der chinesischen Philosophie, was seinen Auftraggebern nicht lange verborgen blieb und vehemente Kritik an seiner Amtsführung und schließlich seine Abberufungung zur Folge hatte. Dieser moderne Freigeist wird durchaus plastisch, die konventionelle, nahezu biedere Form der Darstellung mag nicht so recht dazu passen.

17.02.2024

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