Morgentau Äthiopien, Frankreich, Deutschland 2008 – 104min.

Filmkritik

Zwischen Terror und Heimatlosigkeit

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Haile Gerima zeichnet in seinem weit ausholenden Epos 30 Jahre äthiopische Geschichte nach: Die Herrschaftssysteme wechseln, einzige Konstante bleibt die Gewalt. Und dennoch schimmert am Ende Hoffnung auf.

Nach rund 20 Jahren Abwesenheit kehrt Anberber (Aaron Arefe), der in Deutschland Medizin studiert hat, 1990 in seine äthiopische Heimat zurück. Fremd ist ihm das Land und die Leute geworden, die archaischen Bräuche mit Glauben an Hexen und Schamanentum, die allgegenwärtige Gewalt. So wird er Zeuge, wie brutal Soldaten Kinder für die Truppen rekrutieren.

Die Rückkehr löst bei Anberber aber auch Erinnerungen an seine persönliche Geschichte und die Geschichte des Landes aus. In einer komplexen, aber immer übersichtlichen Rückblendenstruktur, in die auch Alptraumbilder einfliessen, rollt Haile Gerima 30 Jahre äthiopische Geschichte - und das heisst auch 30 Jahre Gewalt - auf. Eindringlich vermittelt wird dabei aber auch die Zerrissenheit Anberbers, des Westlers in Afrika.

Während er in Deutschland studierte, kam es 1974 in Äthiopien zum Sturz der Diktatur Haile Selassies, besser wurden die Verhältnisse damit aber nicht, setzte doch sogleich der Terror des Marxisten Haile Mariam Mengistu und seiner Häscher ein. Hautnah musste Anberber diese Gewalt erfahren, als er ein erstes Mal aus Europa in seine Heimat zurückkehrte und als Arzt in einem Krankenhaus arbeitete: Eine kritische Aussage muss der als Intellektueller Angefeindete in einem Schauprozess öffentlich widerrufen und wird Zeuge von Hinrichtungen und Massakern, denen auch sein Freund und Arztkollege Tesfaye (Abvetedla) zum Opfer fällt.

Geschockt von den Ereignissen in seiner Heimat ging Anberber wieder nach Europa, erlebte in Berlin den Mauerfall, wurde aber auch Zeuge und Opfer des sich ausbreitenden europäischen Rassismus und Rechtsradikalismus. Und doch lässt Gerima seinen sichtlich von persönlichen Erfahrungen geprägten Film nicht in Hoffnungslosigkeit enden.

Gerima erzählt weit ausholend und kunstvoll verschachtelt vom Scheitern des Versuchs, eine bessere Welt zu schaffen und bietet dabei in seinem durchaus didaktischen Epos einen spannenden Einblick in die gewalttätige äthiopische Geschichte, aber auch in die Sicht der Afrikaner ihrer Situation als Emigranten in Westeuropa. Grosse Kraft und Intensität haben da einzelne Szenen, nicht zu übersehen ist aber auch, dass angesichts der Handlungsfülle und der grossen Zeitspanne vieles bruchstückhaft bleibt und nur oberflächlich abgehakt wird. Mehr wie ein grosser Entwurf als ein fertig ausformulierter Film wirkt so "Teza".

17.02.2024

4

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