Lulu und Jimi Frankreich, Deutschland 2009 – 94min.

Filmkritik

And weird on top...

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Oskar Roehlers Version der «Geschichte von Sailor und Lula» ist eine kunterbunte, ästhetisch originelle Hommage ans Kino mit allzu deutlichen Anleihen bei David Lynchs «Wild at Heart», die vor allem dann überzeugt, wenn sie sich vom Original entfernt.

Deutschland zu einer Zeit, in der Gefühle ungebrochen waren, deren Helden Marlon, James und Elvis hießen und in der alles irgendwie groß war: die Musik, die Autos, die turmhohen Bienenkorbfrisuren, die Lebensgier, selbst die Punkte auf den Petticoats.

Lula, wunderhübsche Tochter einer bankrotten Fabrikantendynastie, verliebt sich auf den ersten Blick in den attraktiven Black-Guy Jimi, der aus dem Land des Rock'n Roll stammt, auf dem Rummel jobbt und die Bonner Bundesrepublik für Lulu aufregend farbig macht. Natürlich ist Lulus kaltherzig-intigante Alkoholikermutter (grandios: Katrin Sass) bemüht, diese Liaison zu verhindern und Lulu einem Fabrikantensohn (grauenvoll: Bastian Pastewka) zuzuführen. Während Lulus Vater (endlich mal wieder: Rolf Zacher, übrigens auch die deutsche Synchronstimme von David Lynchs «Wild at Heart») als medikamentös sedierter Zombie durch Villa und Garten irrt, helfen der schaurige Chauffeur (gewohnt gekonnt diabolisch: Udo Kier) und der bösartige Doktor (nicht ganz so souverän diabolisch: Hans-Michael Rehberg) beim Vollzug verschiedener teuflischer Pläne, die letztlich den Liebenden nichts werden anhaben können. So weit, so wild und weird.

Das «Märchen auf der Überholspur» (O-Ton Oskar Roehler) tobt sich richtig aus: burleske Schlägereien, wilde Tanzszenen, gnadenlos überzeichnete Charaktere, expressive Farb- und Lichtgestaltung und nicht zuletzt variantenreiche Zitate von John Waters und Douglas Sirk über Shakespeare und Wedekind bis hin zur Überdosis «Grease» - alles in allem eine bewusst im Fiktionalen angesiedelte Ausstattungsorgie direkt aus den Roaring Fifties, zudem großartig besetzt. Wäre da nur nicht der Vergleich mit David Lynch, den Oskar Roehler - durch möglichst originalgetreue «Zitate» nicht nur des Plots, sondern gleich ganzer Szenen mitsamt Dialogen, Kameraeinstellungen und Schlüsselrequisiten - bewusst heraufbeschwört und doch nur verlieren kann. Denn an Lynchs virtuoses Spiel mit Absurdität und Klischee, die beklemmende Meisterschaft im Kreieren von Atmosphäre und nicht zuletzt die unvergleichliche Coolness einer echten, nicht nur behaupteten Kompromisslosigkeit reicht «Epigonenoskar» ebenso wenig heran, wie die bundesrepublikanischen «Halbstarken» an Marlon Brando.

Doch abgesehen von diesem befremdlichen künstlerischen Duell ist «Lulu und Jimi» rund geraten, fast altersmilde zwar, aber wenigstens nach dem glücklosen Ausflug in Bernd Eichingers Produktionsmaschinerie wieder ein echter Roehler. Dessen Qualitäten zeigen sich besonders in den «neu erfundenen» Teilen der Geschichte, in einzelnen Momenten, die Roehlers autobiographisch motiviertes Dauerthema verletzter Kinder aus dysfunktionalen Familien thematisieren etwa, oder wenn Lulu sich am Rand von hypnotischem Wahn und konkreter Umwelt bewegt.

Eine kluge Entscheidung war es zudem, die Titelrollen mit unbekannten Gesichtern aus Frankreich und England zu besetzten und so trotz bekannter «Nebenrollennasen» einen erstaunlich «undeutschen» Film entstehen zu lassen. Auch wenn Oskar Roehler persönlich durchaus das augenfällige Mehr an Optimismus zu gönnen ist, das «Lulu und Jimi» verbreitet, «bonbonsüß und belanglos» ist letztlich nicht das, was man von einem der wenigen echten Kino-Macher aus deutschen Landen sehen will.

29.04.2024

3

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