The Banishment Russische Föderation 2007 – 150min.

Filmkritik

The Sophomore Slump

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

Da waren die Erwartungen gross: Der kauzige russische Regisseur Andrej Zvjagintsev, der 2003 mit seinem Erstling "The Return" in Venedig gross absahnte, legt jetzt mit einem zweieinhalbstündigen Epos über Schuld und Sühne nach. Raus gekommen ist eine bildgewaltige Mischung aus sowjetischem Sozialrealismus und biblischem Drama, der irgendwo die Story verloren geht.

Die Familie von Alex und Vera fährt mit ihren zwei kleinen Kindern aufs Land, nachdem Alex' Bruder mit einer Schussverletzung bei ihm in der Stadt aufgetaucht ist. Doch was als idyllischer Rückzug in das Haus der Kindheit gedacht war, entwickelt sich nach einem Geständnis von Vera zu einem Trip in eine viel düsterere Richtung.

Nachdem der russische Regisseur Andrej Zvjagintsev mit seinem biblischen, an Tarkowskij erinnernden ersten Film "The Return" (2003) um eine alttestamentarische Vaterfigur im Norden Russlands über 40 Preise abgesahnt hat, behauptet er nun, keine Angst vor dem berüchtigten "sophomore slump" zu haben; dem Durchhänger beim zweiten Werk, der Überzeugung, dass der Zweitling ein Flop werden müsse. Wohl ihm, denn tatsächlich ist "The Banishment" von Thematik, Atmosphäre und der archaischen Bildsprache her stark an den Erstling angelehnt, ohne aber die unabwendbare, irrationale Kraft des Bösen so überzeugend ausweglos zu zeichnen.

Die ProtagonistInnen des in Moldawien, Belgien und Finnland weitgehend ortlos gedrehten Films bewegen sich durch ein zeitloses Setting, in dem es zwar Autos gibt, dessen Kleidung und Intérieurs aber auch aus dem letzten Jahrhundert stammen könnten. Vera und Alex, sowie Sohn und Tochter sind optisch schön und stark wie die idealtypischen Ikonen eines sowjetischen Heldendenkmals inszeniert. Wie auch "The Return" wirkt der dialogarme Film mit seiner so mächtigen wie reduzierten Bildsprache aus industriellen Städten und rollenden Hügellandschaften, schweigsamen Männern und duldsamen Frauen, seiner schweren, wieder religiös motivierten Thematik von Schuld und Sühne wie eine Metapher - doch eine Metapher auf was?

Die Fragestellung, was eine Familie im Kern zusammenhält, kann so anachronistisch, auch wenn William Saroyans Romanvorlage aus dem Jahr 1953 stammt, heute nicht mehr verhandelt werden, und auch die Suche nach dem Bösen bleibt abstrakt. Der Konflikt, der sich erst nach und nach herausschält und um den der Film kreist, wird als Konflikt nicht nachvollziehbar. So drängt sich bald die Frage nach der Ambition und Motivation des zweieinhalbstündigen Epos auf. Am Ende bleibt ein gewollt enigmatisches, bildergewaltiges Werk, das sich selbst nicht so recht entscheiden möchte, wovon es sprechen will.

17.02.2024

3

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Kommentare

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159753

vor 15 Jahren

Die Story geht überhaupt nicht verloren, wenn sie auch etwas fiktiv, in Wirklichkeit wohl eher unmöglich wird.
Alles geht am Schluss perfekt und äusserst raffiniert auf - endlich also wieder ein Film, wo während des Abspanns gedacht werden muss(es sei denn, man verfügt über viel humanistische Bildung und ist schnell im Rechnen). Wie "vasvrastschiene" ein Meisterwerk. Zu beanstanden ist nicht, dass die Story verschwimmt, sondern genau das Gegenteil, dass nämlich alles bis ins allerletzte Detail durchdacht ist. Vielleicht nun wirklich zu gute Filmkunst, zu idealisiert.Mehr anzeigen


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