CH.FILM

Die Nacht ist heller als der Tag Schweiz 2006 – 87min.

Filmkritik

Ein kurzes, exzessives Leben

Filmkritik: Stephan Sigg

Er wollte Grosses schaffen und wurde dann doch nur 22 Jahre alt: Andreas Walsers Leben (1908-1930) war geprägt von Exzessen. Der erste Film über den Churer Maler verschafft Einblicke in eine zerrissene Künstler-Seele.

Sohn eines Pfarrers, homosexuell und Künstler - Andreas Walser sah für sich in Chur keine Zukunft und wanderte nach Paris aus, wo er schnell mit Picasso und anderen Grössen dieser Zeit in Kontakt kam. Paris, für Walser Erfüllung und Untergang zugleich. Unterwegs zwischen den Extremen, genoss Walser die Freiheit, ein Künstlerleben zu führen und sich homosexuellen Affären hinzugeben, in vollen Zügen. Doch die Kehrseite der Medaillen waren existenzielle Krisen und schwere Depressionen. Walser zieht sich immer mehr in sein Atelier zurück, malt sogar die Fenster schwarz an, um in einer ständigen "Nacht" arbeiten zu können. Denn für ihn war "die Nacht heller als der Tag".

Walser wollte ganz grosse Kunst schaffen und opferte dafür seine Gesundheit. Heinz Bütler nähert sich dem Künstler anhand von Briefen, die Walser in Paris an eine Bündner Freundin und an Kollegen wie Ernst Ludwig Kirchner schickte, der aus eigener Drogenerfahrung den jungen Künstler vor dem unaufhaltsamen Absturz warnte. Doch Walser war nicht zu retten. Seiner Melancholie versuchte er mit Morphium Herr zu werden und arbeitete oft tagelang ohne Schlaf und Essen an seinen Bildern. Ein Lebensstil, der schon bald seinen Tribut forderte. Als Walsers Mutter und sein Bruder in Paris eintreffen, ist es schon zu spät. Die Todesursache - wahrscheinlich eine Überdosis - ist bis heute nicht ganz geklärt.

"Die Nacht ist heller als der Tag" ist ein einfühlsames Portrait, das durch seine Schlichtheit überzeugt. Edward Piccin, Anna Kathrin Bleuler, Ueli Jäggi und Yves Raeber lesen abwechselnd Briefe von Andreas Walser. Ohne jeglichen Pathos lassen sie Walsers Zeit in Paris und vor allem seine inneren Kämpfe für den Zuschauer lebendig werden. Filmaufnahmen von Paris - inklusive Bilder der Originalschauplätze - liefern visuelles Futter, so dass die Phantasie ganz in Walsers Leben eintauchen kann. Auch Zeitzeugen kommen zu Wort - so zum Beispiel Walsers Bruder Peter Walser. Mitbeteiligt ist auch Daniel Schmid (1941-2006), der - schon deutlich von seiner Krankheit gezeichnet - über Walsers Leben und Motive sinniert. Ein würdiges Portrait über einen Künstler, dessen Werk zu Recht via Film, Buch und Ausstellung ein Revival erfährt.

16.09.2021

5

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