Als das Meer verschwand Neuseeland, Grossbritannien 2004 – 126min.

Filmkritik

Nach Hause, aufräumen

Filmkritik: Andrea Bleuler

Hohe Filmkunst aus Neuseeland: Ein Kriegsfotograf kehrt in sein Heimatdorf in Neuseeland zurück und wird mit seiner persönlichen seelischen Müllhalde konfrontiert. Regisseur Brad McGann mischt die Genres Familiendrama und Thriller gekonnt zu einem emotionalen Tiefenschwindel, dem man sich kaum entziehen kann.

Die Mutter ist bei einem tragischen Unfall verstorben. Nun ist auch der Vater nicht mehr. Zur Überraschung aller taucht Paul (Matthew MacFadyen), vom Leben gezeichnet und sichtlich ausgebrannt, doch noch an der Trauerfeier auf. Doch er und sein einziger Bruder haben sich überhaupt nichts zu sagen.

Was in den ersten Minuten wie ein Film über eine schwierige Beziehung zwischen zwei Brüdern, Trauer und Schuldgefühle daherkommt, entwickelt sich schnell zu einer komplexen Thematik: Paul trifft auf seine alte Flamme und deren 16-jährige Tochter Celia (Emily Barclay), die sich ihrerseits in dasselbe Versteck zurückzuziehen pflegt, wie er es einst selbst tat: Die Hütte von Pauls Vater bietet Schutz vor der provinziellen Enge, und Raum, um eine Flucht geistig vorzubereiten. Doch da ist mehr zwischen den beiden, eine Seelenverwandtschaft in einem freud- und interessenlosen Umfeld und eine Nähe, die den argwöhnischen Mitbewohnern höchst verdächtig erscheint - erst recht, als Celia eines Tages spurlos verschwindet.

Wie bei der ebenfalls neuseeländischen Produktion "Whale Rider" ist auch in dieser vielschichtigen Erzählung die Natur, eingefangen dank einer schlichten Kameraarbeit, eine Kraft, die ein unglaubliche Intimität mit den Protagonisten ermöglicht. Dabei scheint Regisseur Brad McGann angenehm uninteressiert, Kompromisse an die Kinotauglichkeit zu machen. Celias Rolle ist mit einer leicht übergewichtigen Schauspielerin besetzt, wohingegen der äusserlich attraktive Paul ein schwieriges Innenleben verbirgt. In der Gegenwart angesiedelt, sickern die Fakten der Vergangenheit nur langsam durch, so langsam, dass es beklemmend wird und die Sprachlosigkeit der Beteiligten die Aggressionen des Publikums schürt.

McGanns Adaption von Maurice Gees Roman legt erst in den letzten zwanzig Filmminuten rasant an Tempo zu, getrieben von der brennenden Frage nach dem Täter und den emotionalen Hintergründen. Den heiklen Genre-Mix, vielleicht vergleichbar in seiner Gewichtung mit "Lantana", vollzieht der Regisseur stilsicher und unaufgesetzt und entführt in wahrhaftig - im Sinne von psychologisch nachvollziehbare - dunkle Gefilde.

10.11.2020

5

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Kommentare

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julianne

vor 5 Jahren

Solange her dieser Film ist Wahnsinn mehr geht nicht ein sensationelles Familien Drama ! Einer der besten Filme wo ich je gesehen habe !!


Gelöschter Nutzer

vor 8 Jahren

Starker Thriller mit berührenden Elementen. Ungeahnte Wendung am Schluss, was wir ja alle lieben.
Ganz knapp am fünften Stern vorbei.


anabah

vor 13 Jahren

Ich bin ebenfalls sehr begeistert von diesem Film. Es passt einfacha alles: Die atmosphärische Umsetzung, die Thematik, die genialen Leistungen der Schauspieler und der Regie --> Absolut Top. Am Schluss wird jedoch nicht alles restlos aufgeklärt, sodass sich der Zuschauer noch ein eigenes Urteil bilden kann.Mehr anzeigen


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