Ticket to Jerusalem Frankreich, Niederlande, Palästina 2003 – 85min.

Filmkritik

Kino als Mutmacher

Filmkritik: Simon Kern

Der palästinensische Filmemacher Rashid Masharawi erzählt gänzlich unaufgeregt von einem Filmvorführer, der sich auf seiner täglichen Reise in die besetzten Gebiete zwischen Checkpoints und Flüchtlingslagern gegen Willkür und Entmutigung behauptet. Ein kleines, lebensnahes Drama mit dokumentarischen Zügen.

Rashid Masharawis an mehreren Filmfestivals ausgezeichnetes Drama erzählt vom Versuch, in Zeiten der Unterdrückung Normalität vorzuleben. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Palästinenser Jaber (Ghassan Abbas). Als Filmvorführer hat er sich zur Aufgabe gemacht, mit seinem Wanderkino die besetzten Gebiete zu besuchen und für kurze Minuten Kinderaugen zu erleuchten. Ein nobles Unterfangen – vielmehr aber noch ein mühseliges. Denn die willkürlich wirkenden Abriegelungen der Lager stellen den stoisch grimmigen Jaber wiederholt vor logistische Probleme. Der Projektor will bisweilen auch im Schweisse des Angesichtes auf einem Schleichweg gebuckelt statt per Auto auf der Strasse transportiert werden.

Ebenso wie bei einer durchgebrannten Sicherung ein Stück Alufolie als Ersatz genügen muss, gilt auch in zwischenmenschlicher Hinsicht, dass man sich gar nicht leisten kann, keine Lösungen zu finden. Und unter Besatzung werden die gesellschaftlichen Probleme natürlich nicht weniger. Jabers Gefährtin Sana (Areen Omary), die als Sanitäterin für den Roten Halbmond arbeitet, verzehrt sich vor Sehnsucht nach ihren Verwandten in Beirut. Und eine befreundete Lehrerin sowie deren Mutter leiden darunter, dass sie, mit Ausnahme eines kleinen Zimmers ihres gesamten Hauses, enteignet wurden. So nimmt denn Jaber, quasi als Befriedungsmassnahme, eine grosse Filmvorführung im beschlagnahmten Innenhof an die Hand. Ausgerechnet in Jerusalem, das schon ohne Filmprojektor schwer zu erreichen ist.

Einem im Gazastreifen geborenen Filmemacher wie Rashid Masharawi sind die Auswirkungen, welche die Besatzung auf das Alltagsleben, das zwischenmenschliche Miteinander und die schönen Künste zeitigt, zwangsläufig vertraut. Uns will er sie mit einer Inszenierung näherbringen, die er "dokumentarische Fiktion" nennt, und welche die letztlich fiktiven Handlungselemente mit dem dokumentarischen Abbild der Lebenssituation in Palästina verquicken soll. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, inwiefern man einen Film wie "Ticket to Jerusalem" an den cineastischen Massstäben des Unterhaltungskinos messen will. Eine Produktion, in der mit Ausnahme des Hauptdarstellerpaares einzig Laien spielen, wenn auch durchaus fähige. Deren Handlung nicht mit ausgefeilten Wendungen überraschen will, sondern vielmehr als Trägerin von Momentaufnahmen aus dem palästinensischen Alltag dient. Und deren Gestaltung und technische Machart von den umständlichen lokalen Begebenheiten diktiert werden.

In einer Szene von Rashid Masharawis Film schwärmt ein Freund Jabers dem Filmvorführer von einem amerikanischen Actionfilm und dessen Explosionen vor. Vom "grossen Film" kann auf diesem unterversorgten Fleck der Erde so in mehrerlei Hinsicht bloss die Rede sein. Wenn man sich Masharawis gänzlich unspektakuläres, lebensnahes Drama ansieht, mag man nicht behaupten, dies sei zwangsläufig ein Nachteil.

14.07.2003

4

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