Schultze Gets the Blues Deutschland 2003 – 110min.

Filmkritik

Komischer Kauz auf Cajun-Kurs

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Horst Krause spielt den Oldie Schultze, der von Sachsen-Anhalt in die Bayous von Louisiana aufbricht, mit Leib und Seele. Ein Road- beziehungsweise Boat-Movie der kauzigern Art, mit viel Herz und unterschwelligem Humor.

"Glückauf, glückauf! Der Steiger kommt" - das traditionelle Bergmannslied ist nur noch Abgesang in Teutschenthal an der Saale. Der Kali-Abbau in der ostdeutschen Provinz Sachsen-Anbhalt gehört der Vergangenheit an. Die drei Kumpels Manfred (Karl-Fred Müller), Jürgen (Harald Warmbrunn) und Schultze (Horst Krause) werden in den Vorruhestand entlassen, es folgen öde Tage zwischen Angeln, Schrebergarten und Kneipe. Single Schultze ist immerhin Akkordeonist im lokalen Musikverein "Harmonie". Dort ist Polka angesagt, doch Schultze wird von Klängen aus dem Radio elektrifiziert: Cajun, Zydeco, also afro-französisch-amerikanische Musik aus Louisiana.

Die "Negermusik", die Schultze neu am Jubiläumsfest spielt, gefällt den polka-gewohnten Einheimischen überhaupt nicht. Schultze kriegt den Blues: er wird melancholisch, sehnsüchtig, fernsüchtig. Doch er bekommt seine Chance: Schultze wird als Botschafter der "Harmonie" in die texanische Schwesterstadt New Braunfels geschickt. Der gemütliche Grübler guckt sich in Texas um und verständigt sich auch ohne Englisch. Vom polkaseligen Wurstfest hat er bald genug. Nein, das hat er auch daheim. Schultze "kapert" sich ein Boot und geht auf Entdeckungskurs. Er findet sein stilles Glück in den Bayous von Louisiana - und kehrt zurück.

Ein ungewöhnlicher, sympathischer Film in mehrfacher Hinsicht: Regisseur Michael Schorr schickt seinen schrulligen Helden Schultze auf einen Trip von einer Provinz in die andere und begleitet ihn wie einen guten Freund. Phasenweise wirkt sein Film dokumentarisch. Kein Wunder, sein kompaktes Team filmte vor Ort, also auch beim Wurstfest in New Braunfels, Texas. Laien wurden eingebunden, wie beispielsweise die Bobby Jones Czech Band. Die Kamera von Axel Schneppat bleibt ruhig, ist statisch, die Menschen bewegen sich, laufen ins Bild und wieder hinaus. Die Totale dominiert, so strahlt der Film souveräne Ruhe und Gelassenheit aus.

Als ausgemusterter Salzbergmann und abenteuerbereiter Akkordeonist Schultze ist Horst Krause eine Wucht. Seine Schrulligkeit, Sturheit und sein leiser Humor sind Basis eines kauzigen Road-, oder besser gesagt Boat-Movies. Lakonisch, launisch, leise - als wärs ein Stück von Aki Kaurismäki. Filmautor Schorr (39) aus der Pfalz pendelt bewusst zwischen handfester Realität und märchenhaft angehauchter Fiktion, besonders was das Ende angeht. Etwas schelmisch, man weiss nicht recht, ob denn das Ende wirklich eines ist.

Ein Detail für Feinschmecker: Schultze kostet in den Bayous einmal Jambalaya, einen rassigen Poulet-Gemüse-Eintopf. Das Rezept ist einfach... köstlich. Probieren Sie selber!

01.06.2021

4.5

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Kommentare

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djvan

vor 19 Jahren

Wieder mal brilliantes D-Kino. Ruhig, schön und tiefgründig!


mjnehls

vor 20 Jahren

Krause ist Spitze und der ganze Film in Schnitt, Musik und S


mjnehls

vor 20 Jahren

Ein wirklich grandioses Werk,
mit ebenso glänzender schauspielerischer Qualität wie cineastischem Tiefgang.
Nichts für Action-Süchtige,
aber für alle mit wachen Sinnen und derBereitschaft hinzuschauen und hinzuhören.
Und ganz besonders für Generations- und Seeelenverwandte - wie ich einer bin.Mehr anzeigen


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