Der Mann ohne Vergangenheit Finnland, Frankreich, Deutschland 2002 – 97min.

Filmkritik

Altlasten ade

Filmkritik: Andrea Bleuler

Der finnische Regisseur Aki Kaurismäki legt auch in seinem neuesten Werk eine Vorliebe für Absurditäten und einen Hang zur Melancholie an den Tag. Diesmal ist ein Namenloser, der nichts mehr hat - nicht einmal seine Vergangenheit - der Held seines Films.

Eines sei vorweggenommen: Wie ein Bruch mit dem Gelebtem zu werten ist, interessiert nicht. Vielmehr bekundet Kaurismäki sein Verständnis für den tief menschlichen Wunschgedanken, in schwierigen Situationen nochmals ganz von vorne beginnen zu können, und lässt diese Szene durchspielen.

Der Protagonist seines neuesten Filmes (Markku Peltola) verliert seine Vergangenheit, als er von einem kleinen Dorf auf dem Land nach Helsinki reist, um dort Arbeit zu suchen. Er wird brutal zusammengeschlagen und kann sich an sein vorangehendes Leben nicht erinnern. Aber auch ohne Geschichte überlebt der Mensch.

Der Gestrandete bezieht Logis in einem leeren Hafencontainer - ein geldgieriger Miesepeter (Sakari Kuosamen) knöpft ihm dafür eine überrissene Miete ab. Doch lernt er bei den Alkoholikern, Obdachlosen und Heilsarmee-Soldaten, die dieses Niemandsland am Stadtrand bevölkern, weitgehend erfreuliche Seiten des Menschseins kennen. Er kommt zu Essen, Kleidung und Arbeit - im alten Container wird’s dank Jukebox und Bett langsam gemütlich . Er findet wahre Freundschaft und trifft in einer Heilsarmee-Soldatin (Kati Outinen) die grosse Liebe. Doch als er Zeuge eines Banküberfalls wird, holt ihn seine Vergangenheit ein.

Mit entwaffnendem Humor und Würde erzählt Kaurismäki von Randständigen, ohne dabei je arrogant zu wirken. Die beinahe unheimliche Langsamkeit und Ruhe des Films macht es möglich, dass auch die kleinste Handlung ihr Gewicht bekommt und ihre volle Wirkung entfaltet. Es sind knochentrockene Dialoge und bizarre Situationen, wie man sie von Kaurismäki kennt und liebt, die den Unterhaltungswert dieser seltsamen Fabel ausmachen.

Von besonderem Genuss ist die erwartungsgemäss wortkarge Liebesromanze zwischen Heilsarmee-Soldatin und tragischem Held. Kati Outinen, seit nunmehr 18 Jahren Mitglied von Kaurismäkis Filmfamilie, ist für ihre Performance in Cannes 2002 als beste Schauspielerin ausgezeichnet worden.

31.05.2021

4

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Nach dem Gedächtnisverlust wird die Suche nach seinem früheren Leben teils komisch, teils sonderbar geschildert. Zufälle wechseln sich ab mit überraschenden Wendungen. Skurrile Typen kreuzen seinen Weg. Und immer agieren die Figuren in stoischer, emotionsloser Unnatürlichkeit, steif wie Wesen von einem anderen Stern. Da gibt es kein Lächeln, keinen Freudenschrei. Man trifft sich, gibt sich die Hand, redet kurz mit einander und geht wieder seiner Wege. Der Zuschauer kann sich voll und ganz auf Handlung und Dialoge konzentrieren, er wird durch nichts abgelenkt. Diese Darstellungsweise macht wohl der Kultstatus von Kaurismäki aus. Wenn man sich darauf einlässt, kommt ein Gewöhnungsprozess in Gang, der dann auch den latenten, subtilen, herben Charme des finnischen Films zu Tage fördert, der sogar ein Happy End zulässt. Das nur angedeutet wird und durch einen durchs Bild rollenden Güterzug aus unserem Blickfeld entschwindet.Mehr anzeigen


paukkurauta

vor 17 Jahren

Ein sehr guter und tiefgründiger film... muss man gesehen haben!


Gelöschter Nutzer

vor 21 Jahren

einfach kul!


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