Reise nach Kandahar Frankreich, Iran 2001 – 84min.

Filmkritik

Reise in die Hölle

Filmkritik: Senta van de Weetering

Noch vor einigen Monaten hätte man sich in Europa gefragt: Wo liegt eigentlich Kandahar? Heute ist die Stadt als Kriegsziel und Hochburg der Taliban fast täglich in den Nachrichten. Mit dieser traurigen Aktualität konnte Mohsen Makhmalbaf nicht rechnen, als er den Film drehte. Der Iraner erzählt die Geschichte einer nach Kanada geflüchtete Afghanin, die in die Heimat zurückkehrt, um ihrer Schwester Mut zum Weiterleben zu machen.

Seit Afghanistan in die Schlagzeilen gerückt ist, ist viel die Rede von der Unterdrückung der Frauen durch die Taliban. Die Journalistin Nafas (Niloufar Pazira) begegnet ihr in Makhmalbafs Film auf Schritt und Tritt. Sie hat die gefährliche Reise nach Kandahar - ohne Einreiseerlaubnis - angetreten, weil ihre Schwester die tägliche Einschränkung und den Mangel an allem Nötigsten nicht mehr aushält und in einem Brief ihren Selbstmord während der Sonnenfinsternis angekündigt hat. Der Hilfeschrei war Monate unterwegs; jetzt bleiben Nafas noch drei Tage, um die Schwester zu finden. Unterwegs sammelt sie auf einem Tonband - ihrem einzigen Gepäckstück - Hoffnungsschimmer für die Schwester.

Nafas' Reise gleicht vom ersten Moment an einem Trip in die Hölle. In einem Lager, das Flüchtlinge auf die Rückkehr vorbereitet, ist das wichtigste Lernziel für die Kinder, kein herumliegendes Spielzeug aufzuheben; es könnte sich dabei um eine getarnte Mine handeln. Die Schwester, um derentwillen die Journalistin zurückkehrt, ist selber als Kind Opfer einer solchen Mine geworden. Gegen Geld nimmt eine Familie Nafas über die Grenze mit, bald jedoch werden die Reisenden ausgeraubt; sie zieht zu Fuss alleine weiter.

Sie trifft auf eine Schule, in der die Kinder auf Geheiss des Mullahs auswendig gelernte Sätze zu Koranversen und Kalaschnikows herunterrasseln. Sie begegnet einem Amerikaner, der einst als Wahrheitssucher und Soldat ins Land kam, und der heute mit seinem Erste-Welt-Laienwissen der Bevölkerung als medizinische Anlaufstelle dient. Ausrichten kann er wenig, da es oft nicht Krankheit sondern schlicht Hunger ist, der die Leute umbringt. Sie kommt zu einem IKRK-Lager, das Minenopfern Hilfe bringen will, und das mit seiner Arbeit nie zu einem Ende kommt.

Es ist ein hoffnungsloses Land, in das Nafas wenigstens für eine Person Hoffnung bringen will. "Vor dem 11. September 2001 war Afghanistan ein vergessenes Land", sagte Makhmalbaf anlässlich der französischen Première des Films. Auch jetzt seien es nicht humanitäre Gründe, welche die Aufmerksamkeit dahin lenkten. Umso nötiger ist sein Film, der dem Leiden Gesichter gibt. Gerade, wenn in den Nachrichten nur von Terroristen, Taliban und anonymen Toten die Rede ist.



25.05.2021

4

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 17 Jahren

wunderschöne bilder
freche starke charaktere
tiefen einblick in fremde gedankenwelt


gorgeus

vor 22 Jahren

Bin Laden


traiteur

vor 22 Jahren

mies


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