Innocence Australien, Belgien 2000 – 94min.

Filmkritik

Späte Reue

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

"Je ne regrette rien" sang schon Edith Piaf, und sprach damit ein Momentum an, dass sich alle Menschen wünschen. Ein Leben gelebt haben und seine eigenen Handlungen nicht bereuen zu müssen. "Innocence" des Australiers Paul Cox hat das Thema später Reue in eine heiter-melancholische Liebesgeschichte zwischen zwei älteren Menschen eingeflochten.

Andreas (Charles Tingwell) und Claire (Julia Blake) begegnen sich nach vierzig Jahren wieder. Das Liebespaar, dessen "für immer und ewig" einst abrupt endete, beginnt unter komplizierten Umständen erneut aufzublühen. Claire, seit dreissig Jahren mit dem etwas biederen John (Terry Norris) verheiratet, lässt sich nach anfänglicher Weigerung ein zweites Mal auf eine wagemutige Romanze ein. Andreas, seit einiger Zeit Witwer, ist sich den Umständen genauso bewusst, dennoch ist es führt ihn die letzte Chance ein einstiges Vergehen und das Aussperren von "wahrer Liebe" wett zu machen.

Damit ist die eigentliche Handlung, welche bei dieser gefühlvollen Studie ohnehin nicht besonders aktionsreich ist, bereits beschrieben. Regisseur Cox verziert jedoch seine Geschichte über das Brechen von Konventionen und das Lebensgefühl im Alter mit derart eindrücklichen Stimmungen und Bildern, dass einem stellenweise der Atem stockt. Das Umfeld von Menschen im Ruhestand, deren Leben weniger zu ruhen als stillzustehen scheint, wird dem Zuschauer mit Sorgfalt und Respekt vermittelt. Jede Einstellung ist treffend eingesetzt und wohl überlegt zusammengeschnitten. Von den beiden Darstellern Tingwell und Blake mit Präsenz und jahrelanger Film- und Bühnenerfahrung gespielt, ist dieses Rentnerpaar nicht einfach nur ein Klischee, sondern ein sehr reales beherztes Beispiel unseres Bedürfnisses die wirklich wichtigen Fehler im Leben wieder gutzumachen.

Und verfällt er kurz vor Schluss in eine etwas allzu pathetische Inszenierung, ist "Innocence" doch in seiner Einfachheit ein unumstössliches Filmjuwel. Eine feine, leise Ode an die wirklich entscheidenden Dinge im Leben. Alles scheint so klein zu sein, und die Emotionen sind dennoch so gross.

In der Pressedokumentation stellt Cox in einem kurzen Vorwort die Frage, weshalb vor über fünfzehn Jahren der Film "Top Gun" ein Millionen-Publikum angezogen hat und Andrej Tarkovskijs "Offret", der zur gleichen Zeit startete, sich mit Müh und Not durch die Kinos schlug. Die Frage wirkt etwas naiv, bedenkt man die Werbetrommel, die bei der Vermarktung dieser beiden Filmen nicht hätte diskrepanter sein können. Gleichwohl ist die Frage irgendwie berechtigt, da "Innocence" in mehr als nur einer Weise eine echte Alternative zu den grossen Sommer-Knüllern ist, und bestimmt auch dem "Ab-und-Zu"-Kinogänger ans Herz wachsen wird. Lust auf etwas anderes? Hier ist die Chance.

07.03.2022

4

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Kommentare

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patrickmarchi

vor 21 Jahren

Liebe und Alter


fosz

vor 21 Jahren

gut


stein

vor 21 Jahren

kleine Perle


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