Ein Sommer in Hanoi Frankreich, Deutschland, Vietnam 2000 – 112min.

Filmkritik

Drei Schwestern in Hanoi

Filmkritik: Senta van de Weetering

Tran Anh Hang wurde für den hektischen Film "Cyclo" mehrfach ausgezeichnet. Nun kehrt er mit "À la verticale de l' été" in die europäischen Kinos zurück. In dieser durchdacht konstruierten Geschichte ist jegliche Unruhe tief unter die Oberfläche verbannt. Drei Schwestern geben sich alle Mühe, den Status Quo zu erhalten, zu verdrängen, was ihn gefährden könnte und zu verschweigen, was nicht verdrängt werden kann.

Auf den ersten Blick scheint das Verhältnis der Schwestern Lien (Tran Nu Yen Khe), Suong (Ngugen Nhu Quynh) und Khanh (Le Khanh) offen und vertraut; auch sexuelle Phantasien werden vergnügt ausgetauscht. Bald jedoch zeigt sich, dass zwar der Anschein von Vertrautheit mit viel Sorgfalt aufrecht erhalten wird, dass aber Tabus - die zwar verletzt, aber nicht besprochen werden dürfen - das Leben der drei Frauen bestimmen.

Konsequent schweigen, versuchsweise reden

Suong, die Älteste weiss, dass die Reisen ihres Mannes nicht nur beruflichen Zwecken dienen, doch sie lässt sich dieses Wissen nicht anmerken. Stattdessen hat sie sich selber auf ein Verhältnis eingelassen, über das sie jedoch mit niemandem redet; ja, sie treibt das Verschweigen so weit, dass sie auch mit ihrem Liebhaber kein Wort spricht.

Dieser in Schweigen gehüllten, aber ausgelebten Liebe steht die jüngste der Schwestern gegenüber, die mit dem Feuer spielt und gleichzeitig dafür sorgt, dass es nicht ausbricht. Immer wieder, immer unüberhörbarer deutet sie ihrem Bruder an, dass ihren Gefühlen für ihn eine wachsende Portion Erotik beigemischt ist. Er überspielt ihre Bemerkungen, weist sie jedoch nie deutlich zurück. In den Szenen zwischen den beiden springen die Funken; das Feuer, das gleichzeitig geschürt und ignoriert wird, macht sie zu den spannungsgeladensten und spannendsten Charakteren des Films.

Bei so viel Entschlossenheit, die glatte Oberfläche nicht aufbrechen zu lassen, verhallen auch die schüchternen Versuche der mittleren Schwester, ein ehrliches Gespräch in Gang zu bringen.

Feuer, tief unterm Eis

"À la verticale de l'été" ist voll von Geschichten, von denen jede einzelne einen Film füllen könnte. Und doch scheint alles still zu stehen, so erfolgreich sind die Schwestern mit ihren Bemühungen, keine Veränderung zuzulassen. Zwar brodelt es bei allen, jedoch so tief unter der Oberfläche, dass oft nichts anderes als Stillstand wahrgenommen werden kann. Das führt dazu, dass zwar der Schein des ganzen Films ausgesprochen schön ist, dass sich aber - mindestens für ein Publikum mit europäischen Sehgewohnheiten - gerade dadurch Längen einstellen.

09.11.2021

3

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