Zug des Lebens Belgien, Frankreich, Israel, Niederlande, Rumänien 1998 – 104min.

Filmkritik

Ein lachendes und ein weinendes Auge

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

"Über etwas zu lachen ist eine andere Art, darüber zu weinen". Regisseur Radu Mihaileanu versucht, mit einer Komödie das Schicksal einer jüdischen Gemeinschaft auf der Flucht vor den Nazis darzustellen und dabei dem Publikum jüdische Lebensart, Religion und den typischen Humor näherzubringen. Die Frage, ob man über den Holocaust auch Komödien drehen darf, ist aber offenbar noch nicht restlos geklärt.

Nachdem Roberto Benignis La vita e bella sogar in Amerika als politisch korrekt abgesegnet wurde und die Oscars auch die letzten Zweifler überzeugte, spürte Radu Mihaileanu nun grösseren Widerstand gegen sein Filmprojekt. Selber Jude, wurde Mihaileanu im Vorfeld der Produktion als Antisemit beschimpft. Was erregte die Gemüter?

In einem kleinen Dorf in Rumänien verbreitet sich die Nachricht, dass die Nazis in den Nachbardörfern eingefallen sind und die Juden deportieren. Der Dorftrottel, der diesen Job nur übernahm, weil der Posten des Rabbis schon besetzt war, macht den rettenden Vorschlag: Die Juden sollen sich selbst in einem Zug nach Russland deportieren, um von dort nach Palästina zu gelangen. Damit die Sache echt wirkt, müssen sich einige Dorfbewohner als Nazis ausgeben, welche die "Gefangenen" bewachen. Doch welcher Jude spielt schon gerne einen Nazi? Als aber erst einmal die Uniformen geschneidert sind, genug mit dem Besen exerziert ist und "Führer" nicht mehr wie "Fiihrer" tönt, beginnen sich einige der Dorfbewohner an ihre neue Position zu gewöhnen. Die Autorität des Rabbis und des Rats der Weisen wird plötzlich in Frage gestellt. Die Gemeinschaft droht auf der Zugfahrt in eine ungewisse Zukunft zu zerbrechen. Die Schizophrenie der Situation zeigt sich in der Ratlosigkeit von Partisanen, die sich nicht entscheiden können, ob sie den Zug sprengen sollen oder nicht. Als sie die vermeintlichen deutschen Soldaten in Reih und Glied zusammen mit den Juden beten sehen, ziehen sie resigniert ab, diskutierend ob es auch deutsche Juden in Nazi-Uniformen geben kann.

In der Sprachschule für die auszubildenden Nazis entdeckt einer der Aspiranten die Ähnlichkeit von Yiddish und Deutsch. Der Deutschlehrer stimmt zu: Deutsch sei eigentlich das gleiche wie Yiddish, nur gänzlich ohne Humor. Humorlosigkeit führt zu Krieg, scheint Radu Mihaileanu mitteilen zu wollen, während mit Humor alle Situationen zu meistern seien. Für ihn ist diese Art von Galgenhumor auch eine typisch jüdische Art, der Tragödie des eigenen Volkes zu begegnen. Mihaileanu’s Darstellung dieses Humors ist vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack. Einerseits operiert er mit gängigen Elementen von Situationskomik und Verwechslungsszenen. Dabei gerät der Film in Gefahr, zur Standardkomödie abzurutschen, die dem heiklen Thema nicht gerecht wird. Andererseits setzt er auf Wortwitz, wildes Gestikulieren und lautstarkes Lamentieren, das zum Teil etwas aufgesetzt wirkt.

Um das Leben der jüdischen Gemeinschaft in möglichst zahlreichen Facetten zu zeigen, schneidet der Film so viele Themen an, dass die meisten oberflächlich bleiben müssen. Ein wenig Romanze, ein wenig unglückliche Liebe, ein wenig Familienbeziehungen, ein wenig politischer Aufruhr, ein wenig Infragestellung religiöser Werte. Die eigentliche Dramatik des Holocaust-Szenarios rückt dabei fast zu weit in den Hintergrund. Die einzelnen Figuren bleiben schematisch, damit die Gemeinschaft als Ganzes ihren Ausdruck bekommt.

Auf der Suche nach einem Dorftrottel bot Radu Mihaileanu die Rolle Roberto Benigni an. Dieser lehnte ab und widmete sich statt dessen seinem eigenen Projekt La vita è bella. Mit Train de vie ist ein Film mit sehr ähnlicher Thematik und Perspektive entstanden. Ob man über die Tragödie des Holocaust auch lachen kann, können beide Filme nicht endgültig beantworten. Auf dem Jüdischen Filmfestival in Berlin wurde "Train de vie" jedenfalls stürmisch gefeiert.

19.02.2021

3

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Kommentare

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grafgrafenstein

vor 18 Jahren

Die Story ist gut, aber die Special-Effects sind unecht


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