Gods and Monsters Grossbritannien, USA 1998 – 90min.

Filmkritik

Und Gott schuf ein Monster

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Der Brite James Whale (1896 - 1957) hatte Stil. Dafür spricht sein Leben, dafür sprechen seine Spielfilme, davon kündet aber auch eine Kreatur, die seinem Kopf entsprang und die weiterlebt in einer Massenkultur, die die Schöpfer ihrer Ikonen nur allzugern vergisst: Frankensteins Monster. Auch Whales Tod sei ein Kunstwerk gewesen, behauptet nun Regisseur Bill Condon im Film "Gods and Monsters", und entwickelte dazu eine tragisch-komische Liebesgeschichte, die sich in den letzten fünf Tagen des exzentrischen Regisseurs zugetragen haben soll.

Ob nun Kunst das Leben oder das Leben die Kunst imitiere - so ganz sicher kann sich da der britische Regisseur James Whale (Ian McKellen) am Ende seiner Tage, 1957, nicht mehr sein. Von Hollywood, wo er in den dreissiger Jahren mit den beiden Frankenstein-Filmen (Frankenstein 1931 bzw. The Bride of Frankenstein 1935) gross herauskam, hat er sich lange schon zurückgezogen. Vorbei die rauschenden Partys, die unzähligen Affären mit knackigen Boys, die berauschende Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Übrig geblieben vom einstigen Ruhm ist das von ihm für seine Filmfassung von Mary Shelleys Schauerroman entworfene Gesicht des Monsters von Frankenstein, welches sich verselbstständigte und dabei auch die letzten Hinweise auf seinen Schöpfer tilgte. Kaum einer ahnt, dass Whale in den gequälten Zügen von Franksteins Monster Erfahrungen zum Ausdruck brachte, die er als Soldat in den Schützengräben des ersten Weltkrieges gemacht hatte. Keiner spricht aus, dass die Geschichte dieser unglücklichen Kreatur von seiner eigenen Aussenseiterexistenz als bekennender Schwuler in Hollywood, aber auch als Flüchtling des rigiden britischen Klassensystems erzählt. Geblieben sind dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden exzentrischen Briten lediglich seine Villa, sein scharfer Witz, eine unheilbare Krankheit, die liebenswert verbohrte Haushälterin Hanna (Lynn Redgrave) sowie die Sehnsucht nach perfekten Männerkörpern.

So bringt zunächst vor allem Lust den älteren Mann dazu, seinen Gärtner Clayton Boone (Brendan Fraser) - einen naiven amerikanischen Adonis mit imposantem Muskelbau - anzufeilen. Man schlürft Eistee, wechselt Worte über dies und das, bis Boone sich endlich dazu überreden lässt, ihm, Whale, für seine Malerei Modell zu stehen. Allmählich dämmert es auch im Schädel des rasenmähenden Handymans: "Da bin ich doch tatsächlich an eine Tunte geraten." Doch anders als erwartet bedeutet dies nicht das Ende einer schönen Freundschaft. Im Gegenteil. Man beschnuppert sich, reizt Grenzen aus, vertraut sich Schwächen an, gewinnt einander lieb und schliesslich weiss Whale: dieser Mann wird mein Schicksal sein. Er hat den idealen Darsteller für seinen letzten Akt gefunden; für jenes Script, das er 1930 geschrieben hat, und welches den Titel "Frankenstein" trägt.

Schön erfunden

Wurde das Drehbuch zu "Gods and Monsters" 1999 mit einem Oscar geehrt, so vergass die Academy über diesen Preis den wahren Star des Filmes auszuzeichnen: den Schauspieler Ian McKellen ("Richard III" und "Apt Pupil"). Ohne sein ausserordentliches Können wäre "Gods and Monsters" unter der soliden Regie von Bill Condon ("Candyman - Farewell to the Flesh"), zusammen mit dem etwas kantenlosen Drehbuch, der durchwegs prächtigen Fotografie sowie der limitierten Schauspielerei eines Brendan Fraser ("The Mummy") wohl lediglich zu einem weiteren symphatischen Schubladenfilm geworden. Mit Ian McKellen aber hat man tatsächlich eine brilliante Wahl getroffen. Nicht nur teilen Figur und Interpret Aussehen und den britischen Background, McKellen scheint in Whale darüber hinaus einen Geistesverwandten gefunden zu haben, der wie er selbst in der gelebten Homosexualität eine Quelle seines schöpferischen Tuns sieht.

So fällt denn auch nicht ins Gewicht, dass es sich bei Condons Version von Whales Tod am 29. Mai 1957 um eine Erfindung handelt. Und wenn's nicht die Wahrheit ist, so ist's doch schön erfunden. So steht nicht die Realität, sondern der Künstler und sein Werk im Mittelpunkt von "Gods and Monsters". Eine freundliche Einladung also, mal wieder übers Kinomachen selbst nachzudenken, darüber, wie Geschichten und Figuren zur Erfüllung, aber auch zur Falle für ihre Schöpfer werden können.

Mehr Informationen auf der offiziellen Website

18.05.2021

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Challengers - Rivalen

Kung Fu Panda 4

Civil War

Back to Black