Article14. Februar 2022

Berlinale 2022: Tägliche Updates

Berlinale 2022: Tägliche Updates
© Berlinale

Die Berlinale ist zurück! Nachdem das Festival im letzten Jahr pandemiebedingt zweigeteilt stattgefunden hat (eine Online-Ausgabe für die Branche im Februar und ein Open-Air-Event für das Publikum im Sommer), geht es nun wieder gemeinsam ins Kino – wenn auch mit Maske, Hygieneregeln und nur 50% Auslastung. Die Präsenzveranstaltung ist ein klares Signal für die gesellschaftliche Relevanz der Kinokultur und so wird Berlin vom 10. bis zum 20. Februar zum Zentrum der Filmwelt. Und man darf durchaus gespannt sein, welche Filme die Jury um US-Regisseur M. Night Shyamalan mit den begehrten Bären-Trophäen auszeichnen wird. Wir sind jedenfalls bereit und stürzen uns täglich frisch getestet in das Festivaltreiben, um hier zu berichten.

Artikel von Cornelis Hähnel, Teresa Vena und Théo Metais

Peter von Kant

Die bitteren Tränen des Rainer Werner F.

84 min | von François Ozon

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Cornelis Hähnel

1972 lief Rainer Werner Fassbinders «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» im Wettbewerb der Berlinale, nun hat Francois Ozons freie Adaption des Klassikers die diesjährigen Filmfestspiele eröffnet. In «Peter von Kant» arbeitet er die autobiografischen Züge des Originals heraus und erzählt von einem erfolgreichen Regisseur (unschwer als Fassbinder zu erkennen), der sich in einen jungen Schauspieler verliebt und den die Eifersucht zerreisst.

Ozons kammerspielartiges Melodram zitiert sowohl Fassbinders Leben, als auch dessen theatralische Ästhetik und erweckt – sichtlich lustvoll – die BRD der 70er-Jahre wieder zum Leben. Ein bewusst stilisiertes Biopic, dass in die Abgründe und auf die Sehnsüchte des Kultregisseurs blickt.

La Ligne

Unerreichbare Idylle

101 min | von Ursula Meier

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Cornelis Hähnel

Bereits in ihrem Debüt «Home» hat die französisch-schweizerische Regisseurin Ursula Meier komplexe Familienstrukturen anhand eines klar abgesteckten Raums (damals einem trotzig verteidigten Haus an der Autobahn) analysiert, nun verbannt sie ihre Protagonistin hinter «La Ligne». Im Zentrum des Films steht die hitzköpfige Margaret, die sich nach einem gewalttätigen Streit mit ihrer Mutter ihrem Elternhaus nur noch auf 100 Meter nähern darf – eine blaue Linie zeigt die Grenze an. Meier erzählt mit emotionaler Dichte und feinem Humor von der Sehnsucht nach Geborgenheit und vor allem Stéphanie Blanchoud und Valeria Bruni Tedeschi brillieren als ungleiches Tochter-Mutter-Gespann in diesem Konflikt mit Mindestabstand.

Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush - Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush

Mit Apfelkuchen für die Menschenrechte

119 min | von Andreas Dresen

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Cornelis Hähnel

Murat Kurnaz wurde von Januar 2002 bis August 2006 ohne Anklage im Gefangenenlager Guantanamo festgehalten. Regisseur Andreas Dresen erzählt in seinem Wettbewerbs-Beitrag «Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush» nun diese Geschichte – allerdings aus der Perspektive seiner Mutter Rabiye. Das kluge Drehbuch von Laila Stieler verhandelt den skandalösen Fall allerdings nicht als Justizthriller, sondern fast beiläufig zwischen Apfelkuchen und Karaoke-Videos in Kurnaz‘ Wohnzimmer. Dresen überzeugt erneut mit einem liebevollen Blick auf seine Figuren und so gelingt ihm die schwierige Gratwanderung, diesen ernsten Fall als Tragikomödie mit emotionalem Tiefgang zu erzählen.

Rimini

Der Elvis von Rimini

114 min | von Ulrich Seidl

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Teresa Vena

Der österreichische Schlagersänger Ritchie Bravo tritt, in Rimini nur noch vor Seniorenreisegruppen auf.

Vom Nebel in Österreich begleitet Ulrich Seidl seinen abgehalfterten Schnulzensänger und Protagonisten an die genauso trostlose Adriaküste nach Rimini, wo er vor den wenigen Reisegruppen im Glitzerkostüm auftritt oder mittelaltrigen Touristinnen als Gigolo dient. Das Geld ist immer knapp, doch dann taucht auch noch seine erwachsene Tochter Tessa auf, die einen Teil nicht geleisteter Alimente verlangt. Meisterhaft fängt Seidl die winterliche Stimmung des italienischen Badeorts ein und erinnert dabei insbesondere an Fellinis «Die Müssiggänger». Einmal mehr wirft Seidl einen desillusionierten Blick auf das, was für andere, zu einem anderen Zeitpunkt, als Paradies erscheinen mag.

Mit schweren Schritten schreitet Schauspieler Michael Thomas in der Rolle des Antihelden durch die heruntergekommenen Gänge der verlassenen Hotels und über den leeren Strand. Thomas beeindruckt durch seine körperlichen Präsenz, schafft es aber auch die Melancholie und Verletzlichkeit der Figur wiederzugeben, die sich hinter der imposanten Fassade und unter dem Pelzmantel verbirgt. Es wäre kein Seidl-Film, wenn es nicht ein wenig ungemütlich würde, wenn man in die Intimität seiner Figuren blickt. Ein paar Sexszenen weniger, eine allgemeine Straffung des Stoffe und eine noch radikalere Konzentration auf die Hauptfigur, hätte den Film noch eindrücklicher gemacht.

Yin Ru Chen Yan - Return to Dust

Trautes Heim, Glück allein

131 min | von Li Ruijun

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Teresa Vena

Aus der arrangierten Ehe der beiden Hauptfiguren wächst eine innige, sich gegenseitig aufopfernde Verbindung.

In diesem leisen chinesischen Drama stehen zwei Aussenseiter im Mittelpunkt, deren Gutmütigkeit einerseits rührend ist, andererseits auch ziemlich wütend macht – vor allem dann, wenn sie von ihrem Umfeld gnadenlos missbraucht wird. Der Film ist in erster Linie eine zärtliche Liebesgeschichte zwischen dem Junggesellen Eisen, der sein Maultier fast wie ein Kind oder zumindest wie einen sehr guten Freund behandelt, und Guiying, deren grösster Traum auf ein eigenes Heim endlich in Erfüllung geht. Die Natur spielt im Film eine wesentliche Rolle und dominiert mit ihren satten Geld- und Brauntönen das Bild. Die Stärke des Films liegt in seiner Lakonik, in der eindrücklich erzeugten Stimmung.

Regisseur Li Ruijun versucht, den gesellschaftlichen Wandel des modernen Chinas, das mit dem bäuerlichen Leben kollidiert, einzufangen. Ohne moralisierenden Tonfall und mit einem gewissen Sinn für subtile Komik erzählt der Film vom Übergang von der kommunistischen Ordnung in die die freie Marktwirtschaft und welche Mittel die Gesellschaft nutzt, um den daraus resultierenden Anpassungsschwierigkeiten zu begegnen. Zudem hat der Regisseur hat Figuren geschaffen, deren Bescheidenheit einem selbst Demut lehrt.

Nana

Die Leiden der Nana

103 min | von Kamila Andini

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Teresa Vena

Nana ist wunderschön, wie es auch ihr Ehemann immer wieder beteuert, doch in ihrem Gesicht spiegelt sich auch eine tiefgehende Traurigkeit. Selbst nach Jahrzehnten quälen sie noch Albträume über ihren totgeglaubten Mann und den zur gleichen Zeit tatsächlich verstorbenen Sohn.

Die indonesische Regisseurin Kamila Andini walzt eine im Grunde nicht vorhandene Geschichte derart aus, dass ihre Substanzlosigkeit nicht mehr durch den sorgfältig rekonstruierten Dekor der 1960er Jahre oder die stellenweise durchaus sinnliche Atmosphäre ausgeglichen werden kann. Viel zu aufdringlich ist zudem die Verwendung von Musik, die zwar stimmungsvoll wäre, aber sich ständig wiederholt und flächendeckend eingesetzt wird. Als grosses künstlerisches Vorbild lässt sich unschwer Wong Kar-Wai erkennen, doch für eine ernstzunehmende Hommage ist «Nana» zu oberflächlich.

A propos de Joan

Joans Ankunft in der Zukunft

101 min | von Laurent Larivière

© Berlinale

Teresa Vena

Was als ein konventionelles Melodrama beginnt, wandelt sich zu einem spielerisch komponierten Porträt einer Frau, die erst Jahrzehnte nach dem Vorfall mit ihrem schwerwiegenden Trauma abschliessen kann. Der Film handelt von Trauer und vor allem von der Liebe, die beide ganz unterschiedliche Formen annehmen können. Im Mittelpunkt steht eine ungewöhnliche Mutter-Sohn-Beziehung.

So kitschig wie das klingt, ist der Film an vielen Punkten tatsächlich. Doch überrascht er auch mit originellen Einzelmotiven, der sich natürlich anfühlenden Mischung der Zeitepochen und Sprachen, dem Anflug von absurdem Humor und schliesslich einer souveränen Isabelle Huppert in der Hauptrolle. Lars Eidinger spielt einmal mehr sich selbst – oder zumindest was er vorgibt zu sein.

Avec Amour et Acharnement

Zwei Männer, eine Frau

116 min | von Claire Denis

© Berlinale

Théo Metais

Claire Denis und Christine Angot enthüllen eine Dreiecksbeziehung erstickender Liebe.

Sara (Juliette Binoche) teilt ihr Leben mit Jean (Vincent Lindon), einem ehemaligen Insassen und angesehenen Rugbyspieler. Er nimmt wieder Kontakt zu seinem früheren Partner auf, einem gewissen François (Grégoire Colin), der kein anderer ist als Saras früherer Ehemann.

Claire Denis bringt Juliette Binoche und Vincent Lindon in dieser komplexen Dreier-Konstellation zum ersten Mal auf der Leinwand zusammen - dank der Romanverfilmung von Christine Angot. Die beiden Frauen tun sich zusammen, um die Geschichte von Sara zu erzählen und schreiben gemeinsam das Drehbuch. Im Mittelpunkt steht eine verzweifelte Frau, welche von der wunderbaren Juliette Binoche gespielt wird. Seit 10 Jahren ist sie mit Jean (ein intensiver Vincent Lindon) zusammen, welcher nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis mit seinem ehemaligen Partner und Freund eine Agentur für junge Rugbyspieler gründet. Für Jean beginnt ein neues Leben, während Sara den Verstand verliert und zwischen dem Mann, den sie so sehr geliebt hat, und dem Leben, das eigentlich ihres sein sollte, hin- und hergerissen ist. Claire Denis paraphiert eine Parade vergifteter Liebe im Herzen einer klinischen Inszenierung, roh und ungekünstelt, um das erstickende Drama dieser Frau am Scheideweg ihrer Liebe zu erzählen.

Les Passagers de la Nuit

Die Morgenröte einer Frau.

111 min | von Mikhaël Hers

© Berlinale

Théo Metais

Das bewegende Porträt von Elisabeth, einer von Charlotte Gainsbourg eindrucksvoll gespielten Frau, die ihr Leben in den 1980er Jahren rekonstruiert.

Paris, 1981. Charlotte Gainsbourg spielt Elisabeth, eine Hausfrau und Mutter, die sich durchschlagen muss, nachdem ihr Mann sie gerade verlassen hat. Eines Tages schreibt sie einen Brief an die Sendung, die sie abends hört: «Les Passagers de la Nuit». Die Chefin der Redaktion (Emmanuelle Béart) liest den Brief und ist auf Anhieb davon berührt. Aus diesem Grund bietet sie ihr einen Job als Telefonistin an. Diese Möglichkeit kombiniert sie mit einer Halbtagsstelle in einer Bibliothek. Langsam beginnt Elisabeth ein neues Leben.

Elisabeth übernimmt die Telefonzentrale der Sendung, die sie so sehr liebt, und lernt in der Bibliothek einen charmanten Menschen kennen. Ihre Kinder werden erwachsen. Zu ihrem Leidwesen will ihr Sohn Dichter werden und ihre Tochter wird Politikerin. In den Studios der Radiosendung trifft sie eine verlorene Seele, ein junges Mädchen namens Talulah, das sie als ihre Tochter aufnimmt. Elisabeths Leben ist in ständiger Bewegung und ihre Geschichte spielt sich vor dem Hintergrund der französischen Politik ab, die kurz vor der Wahl von François Mitterrand steht.

Mikhaël Hers enthüllt eine nostalgische Fabel, in der Elisabeths individuelle Geschichte auf die grosse Geschichte Frankreichs in den 1980-er Jahren trifft. Ein erhabenes Porträt einer Frau, gespielt von einer emotionalen Charlotte Gainsbourg, die versucht, ihr Leben neu zu gestalten und ihre Familie über Wasser zu halten. Eine minutiöse Rekonstruktion und eine bezaubernde Musik begleiten «Les Passagers de la Nuit». Die Geschichte einer Epoche, ein seltener Film mit einer seltenen Grazie.

Un été comme ça

Intime Beichten

137 min | von Denis Côté

© Berlinale

Théo Metais

In einer Hütte am See erzählen drei Frauen die Geschichte ihrer besonderen Sexualität. Der neue Film von Denis Côté.

Der Kanadier Denis Côté, ein erfolgreicher und diskreter Filmemacher, präsentierte 2018 in Berlin «Anthology of the Ghost Town» und 2021 «Social Hygiene». Am Rande des Übernatürlichen erzählt er «Un été comme ça», einen komplexen Film über drei junge Frauen, die Sexsüchtige sind oder wie sie sich selber definieren: Hypersexuelle. Die drei Frauen verbringen zusammen 26 Tage bei einem See. Begleitet werden sie von einer Psychologin aus Düsseldorf.

Eine Art von Intimität, die zu den schmerzhaftesten Vertraulichkeiten führt: Die eine spricht von der Belästigung ihres Vaters, die andere von traumatischen Erfahrungen. Die jungen Frauen erzählen von ihren Traumata, ihren unstillbaren Verlangen und ihren unkontrollierbaren Gedanken. Hier urteilt niemand, die Meinungsäusserung ist frei. Denis Côté liebt Studien, und das beweist er einmal mehr mit «Un été comme ça».

Ein schnörkelloser Film, eine rohe Inszenierung, in der die Kamera nah am Intimen den Schleier vieler Tabus lüftet. «Un été comme ça» ist voller rauer Wahrheiten und wirft die Frage nach Machtverhältnissen und dem Raubtier auf. Der Kanadier ist ein aussergewöhnlicher Filmemacher, und das sind auch seine Protagonistinnen.

Drii Winter - A Piece of Sky

Von Abgründen und Hoffnungen

136 min | von Michael Koch

© Berlinale

Cornelis Hähnel

Mit «Drii Winter» ist nun der zweite Schweizer Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale 2022 in das Rennen um den Goldenen Bären gegangen und überzeugt dabei mit seinen präzisen Beobachtungen und einer besonderen Erzählweise.

Marco ist ein Mann wie ein Fels und dementsprechend beginnt auch «Drii Winter» mit einer langen Aufnahme eines Felsbrockens, bevor Marco bei der schweisstreibenden Landarbeit zu sehen ist. Bereits dieser erste Schnitt verweist darauf, dass hier Mensch und Natur zunehmend miteinander verschmelzen, was Laufe des Films durch präzise beobachtete Szenen immer deutlicher wird.

Aber zu Beginn verschmelzen erstmal nur die Herzen von Marco und Anna, einer jungen Frau aus dem Dorf, die dort als alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter Julia lebt. Die beiden heiraten, auch wenn es im Ort Vorbehalte gegen den wortkargen Zugezogenen aus dem Flachland gibt und das junge Glück scheint perfekt. Aber dann wird bei Marco ein Gehirntumor entdeckt, was Auswirkungen auf ihr Leben, aber auch seine Persönlichkeit hat…

«Drii Winter» ist ein entschleunigtes Drama, dass sich viel Zeit für seine Figuren, aber auch deren Umgebung lässt. Überhaupt scheint die Zeit an diesem Ort stillzustehen, denn auch wenn der Film im heute angesiedelt ist, schwingt permanent etwas Archaisches mit. Regisseur Michael Koch gelingt es, diese besondere Lebenswelt ungeschönt und in all ihren Facetten darzustellen, was auch daran liegt, dass er mit Laiendarstellern gedreht hat, deren Verwurzelung mit den Orten spürbar ist. Doch zugleich ist der Film alles andere als dokumentarisch, denn ganz bewusst durchbricht Koch immer wieder die Suche nach Authentizität und betont seine Inszenierung: so positioniert er einen Heimatchor immer wieder in der Landschaft und die Lieder teilen den Film nicht nur in Abschnitte, sondern wie in einer griechischen Tragödie wird der Chor zum allwissenden Erzähler, der vom drohenden Unheil kündet.

Natürlich spielt hier die Bergwelt eine grosse Rolle, aber Koch verweigert sich der altbekannten und romantisierenden Heile-Welt-Idylle. Für seinen Film wählte er das 4:3 Format, um so nicht die imposante Horizontale der Berge, sondern ihre Vertikale zu betonen. Hier geht es um Abgründe und Kameramann Armin Dierolf fängt auf beeindruckende Weise nicht nur die Schönheit, sondern auch die beklemmende Enge des Tals ein. Überhaupt sind es die Bilder, die den Film so eindrucksvoll werden lassen: die Anstrengung und die Härte des Arbeitsalltags werden fast körperlich spürbar und zugleich stellt die Kamers eine unmittelbare Nähe zu den Figuren her und lässt ihre Körper und Gesichter zu Landkarten ihrer unausgesprochenen Emotionen werden. Und auch wenn in «Drii Winter» das Schicksal mit aller Härte über eine junge Familie hereinbricht, verliert sich der Film nicht in Hoffnungslosigkeit, sondern findet Trost im unabänderlichen Lauf der Dinge.

A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe – A E I O U – A Quick Alphabet of Love

Des Widerspenstigen Zähmung

104 min | von Nicolette Krebitz

© Berlinale

Cornelis Hähnel

Nach «Wild» erzählt Regisseurin Nicolette Krebitz auch in ihrem neuen Film «A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe» vom Versuch einer Zähmung – diesmal allerdings in Form einer Beziehungskomödie.

Die 60-jährige Schauspielerin Anna gibt dem 17-jährigen Aussenseiter und Taschendieb Adrian Sprechunterricht und zwischen Vokalen und Konsonanten entwickelt sich eine sonderbare Beziehung. Mit einer grossartigen Sophie Rois in der Hauptrolle und dem verspielten Charme der «Nouvelle Vague» erzählt Krebitz eine Komödie, in der sich Liebe und Vernunft aneinander reiben und der Alltag immer wieder in poetische Miniaturen aufbricht.

Un año, una noche – Ein Jahr, eine Nacht

Wunden, die bleiben

130 min | von Isaki Lacuesta

© Berlinale

Cornelis Hähnel

Am 13. November 2015 starben bei den Terroranschlägen in Paris 130 Menschen, 683 wurden verletzt, allein im Club Bataclan wurden 89 Menschen ermordet.

«Un año, una noche» zeigt nun die traumatischen Nachwirkungen dieses schrecklichen Massakers. Basierend auf den Aufzeichnungen eines Bataclan-Überlebenden erzählt Regisseur Isaki Lacuesta von dem jungen Paar Ramón und Céline, die beide auf ihre Art versuchen, mit den grauenvollen Erinnerungen weiterzuleben, ohne daran zu zerbrechen.

Ein zutiefst bewegendes Drama, das vor allem vom intensiven Spiel von Nahuel Pérez Biscayart und Noémie Merlant lebt und das anhand alltäglicher Situationen zeigt, wie schwer die Rückkehr in die Normalität ist, wenn die seelischen Narben so tief sind.

The Novelist's Film – So-seol-ga-ui Yeong-hwa

Im Reisschnaps liegt die Wahrheit

130 min | von Isaki Lacuesta

© Berlinale

Teresa Vena

Um ihre Schreibblockade zu überwinden stürzt sich eine Autorin in die Umsetzung ihres ersten Kurzfilms.

Der koreanische Autorenfilmemacher Hong Sang-soo ist Dauergast auf internationalen Festivals. Es gibt Jahre, in denen er so fleissig ist, dass er gleich zwei Filme auf einmal veröffentlicht. Meist findet er trotzdem immer wieder eine originelle Idee, die er in seiner gewohnt minimalistischen Bildsprache umsetzt. Seine Filme, oft in einer poetischen Schwarz-Weiss-Ästhetik gehalten, sind stark dialogbasiert. So verhält es sich auch in seinem neuen Werk, in dem eine ältere Autorin versucht, über ihre Schreibblockade hinwegzukommen, indem sie sich in den Kopf setzt, einen Kurzfilm zu drehen.

Auch hier kommt es gleich mehrfach zum bei Hong schon traditionellen Trinkgelage, während dem die Gemüter aufkochen, man seiner Frustration Dampf lässt und sich gegenseitig beschimpft. Nachtragend ist aber niemand, die Tiraden im Suff haben eine befreiende Wirkung. Abgesehen von einzelnen anrührend-komischen Szenen, kann dieses Mal der Stoff nicht überzeugen. Dem Film fehlt es dafür entscheidend an Substanz und walzt die Motive zu sehr aus.

Mutzenbacher

Sofagespräche

100 min | von Ruth Beckermann

© Berlinale

Teresa Vena

Männer jeden Alterns lesen aus den fiktiven Memoiren der Wiener Prostituierten Josefine Mutzenbacher.

Ruth Beckermann findet mit ihrem reduzierten Konzept einen ungewöhnlichen Zugang zu einem äusserst umstrittenen Text. 1969 erschienen die fiktiven Memoiren der Josefine Mutzenbacher, einer Prostituierten aus dem Wien des 19. Jahrhunderts, die von ihren sexuellen Abenteuern und Begegnungen berichtet. Man geht heute davon aus, dass der Autor Felix Salten ist, der auch «Bambi» geschrieben hat, was man sprachlich und thematisch fast als extremen Gegenpol zu «Mutzenbacher» bezeichnen kann.

Beckermann lädt auf ihr barockes Sofa Männer jeden Alters ein, lässt sie aus dem Text vorlesen und beobachtet ihre Reaktionen. Der festen Kamera können sie nicht ausweichen, unweigerlich spiegeln sich in ihrer Körperhaltung Unbehagen, Scham, Abscheu und manchmal auch eine gewisse Aufregung. Es handelt sich bei diesem Dokumentarfilm um ein interessantes Experiment, doch kann es nur bedingt überzeugen, weil es insgesamt eine gewisse Redundanz hat und die Erkenntnisse so bahnbrechend schliesslich auch nicht sind.

Unrueh

Keine Zeit, für niemand!

93 min | von Cyril Schäublin

© Berlinale

Cornelis Hähnel

In der Schweiz im Jahr 1877 findet eine junge Uhrmacherin Inspiration in der anarchistischen Bewegung.

«Unrueh» ist ein eigenwilliger erzählter Historienfilm über eine Gruppe anarchistischer Uhrmacher in der Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts. Mit einer ruhig fliessenden Erzählweise und einer besonderen Bildsprache, die zwischen Close-Ups und beobachtenden Totalen wechselt, inszeniert Regisseur Cyril Schäublin sein Sinnieren über die Konstruktion von Zeit. Und er stellt die Frage, inwieweit die Ideen von damals auch heutet noch unseren Alltag prägen.

Mit der neuen Berlinale-Leitung Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wurde auch ein neuer Wettbewerb ins Leben gerufen. «Encounters» soll für Filmschaffende sein, die «Kino nicht als vordefinierte Kunstform verstehen, sondern eher als Feld, dass sich wie unser Universum ständig ausdehnt», schreibt Chatrian über die neue Sektion. Und tatsächlich schickt sich Regisseur Cyril Schäublin mit «Unrueh» an, die Erzählformen des Kinos neu zu vermessen. Und dafür gab es auf der Berlinale 2022 den Preis für die Beste Regie.

Die Schweiz, im Jahr 1877. Die junge Arbeiterin Josephine stellt in einer Uhrenfabrik die «Unrueh», das mechanische Herz einer Uhr, her. Die Produktion läuft bereits im Takt der Industrialisierung, Beamte und Gendarme wachen über Uhrzeiten und Produktionsbetrieb. Josephine sympathisiert mit der internationalen Arbeiterbewegung und ist fasziniert von dem russischen Kartographen und Anarchisten Pyotr Kropotkin, und schliesst sich der Gewerkschaft der anarchistischen Uhrmacher an. Aber als sie Kropotkin im realen Leben begegnet, ändert sich der Lauf der Dinge…

Flux Gourmet

Verstecken Sie das Gluten - ich kann es nicht mehr sehen...

111 min |von Peter Strickland

© Berlinale

Théo Metais

Ein kulinarisches Institut namens «Sonic Catering Institute» bietet einem Künstlertrio ein Aufenthaltsstipendium an, indem Ton und Essen in höchst konzeptionellen und spirituellen Performances vier Wochen lang vermischt werden. Ein griechischer Schriftsteller, der sie begleitet, leidet plötzlich an Verstopfung, und Streitigkeiten unterbrechen die Feierlichkeiten.

Der fünfte Spielfilm des englischen Filmemachers Peter Strickland: In einem Krimi-Szenario, das sich mit Suspiria kreuzt, vermischen sich die subversiven Darbietungen dieses Trios mit einer Reflexion über Lebensmittelunverträglichkeiten, Kochkunst und Konsumverhalten. Ein griechischer Schriftsteller (Makis Papadimitriou) bläht den gleichen Wind als Evguénie Sokolov und aus Haushalt wird elektronischer Garagenrock. Ein farbenfroher, blutiger und elektischer Film, in «Flux Gourmet» ist das Absurde eine delikate Kunst, wie seine stillen, gotischen Morgenprozessionen.

Das exzellente Trio Fatma Mohamed, Asa ButterfieldSex Education») und Ariane LabedThe Lobster») verleiht diesem visionären Ensemble Substanz und Gwendoline Christie, die von tausend Hüten bedeckt ist, führt diese kleine Welt zur Sättigung. Zöliakie hat noch nie so viel Anziehungskraft gehabt. Eine gastronomische, visuelle und akustische Satire aus Orgien und Blähungen, in der Dario Argento auf Glutenunverträglichkeit stösst. «Flux Gourmet» ist ein Erlebnis für sich, gleichzeitig marginal, aber vor allem treu gegenüber seinem Regisseur.

Coma

Vorsicht vor den Träumen anderer

80 min | von Bertrand Bonello

© Berlinale

Théo Metais

Inmitten des Pariser Lockdowns verliert sich ein isolierte Teenagerin (Louise Labeque) in ihren Träumen innerhalb der Wände ihres Zimmers. Jede Nacht wird sie in der Dämmerung von einem seltsamen Albtraum heimgesucht. Das junge Mädchen projiziert ihre Ängste auf ihre Barbiepuppen und verbringt ihre Zeit damit, einen YouTube-Kanal zu schauen, der von einer seltsamen Patricia Coma (Julia Faure) eingerichtet wurde, von der sie ein überraschendes kleines Spiel gekauft hat. Auf diese Weise verschmilzt der Traum mit der Realität in einem phantasmagorischen Werk. Er schwebt in der Vorhölle, jener besonderen Zone, in der der Kopf ausweicht, unfähig, irgendwo anders hinzugehen.

Der ikonoklastische, französische Filmemacher und Regisseur Bertrand Bonello hat ein einzigartiges Werk geschaffen. Man denke nur an «Zombie Child» und «Nocturama» vom Jahren 2016, einen Film, den er seiner Tochter gewidmet hat, und jetzt kehrt er zu seiner geliebten Anna zurück. Nach seinen «lynchschen» Fantasien nimmt «Coma» Anleihen bei «Mulholland Drive» und «Lost Highway», um von der Agonie des Eingeschlossenseins zu sprechen, von dem, was uns, nachdem wir die Gegenwart getötet haben, zu uns selbst zurückbringt. Ein Geständnis, das im ersten Teil des Films über einer Stroboskop-Montage ausgesprochen wird, ist vielleicht das persönlichste des Filmemachers.

Ein abgedroschenes Thema, ein Opfer einer allzu unmittelbaren Mode. Aber «Coma» ist die sensorische Erfahrung der Isolation schlechthin. Tatsächlich gibt es nichts, was Louise von der Realität fernhält, weder ihre Freunde, die sie über Zoom sieht, noch die verwirrende Psychologie dieser seltsamen Patricia Coma. «Coma» spricht von freiem Willen, Determinismus und Katatonie. Von den Ängsten, die das Mädchen auf ihre Barbies überträgt, bis hin zu den urkomischen Satiren im Stil von Melrose Place , über ihr Mondinterview mit einem Serienmörder. Louises Irrfahrten mischen sich mit der Stimme von Gilles Deleuze – dessen Inschrift den Film verfolgt: «Vorsicht vor den Träumen anderer». Und Bertrand Bonello mischt Töne und Formate (Stop-Motion, Zeichnung, Überwachungskamera...) in einer fabelhaften kinematografischen Geste.

The Outfit

Die Schere des einen, die Kugeln des anderen

106 min | von Graham Moore

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Théo Metais

Chicago 1956. Ein englischer Schneider, der behauptet, Grossbritannien wegen der Invasion der Blue Jeans verlassen zu haben: Ein diskreter Mann, sogar zurückhaltend, der seinen Kunden nie Fragen stellte. Eine Routine mit Schere, Kreide, Stoffen, Schnitten und Mustern, die er mit seiner Assistentin (Zoey Deutch) in seinem schönen Atelier teilt. Doch als Ritchie (Dylan O'Brien), der Sohn seines ersten Kunden, eines Tages mit einer Kugel im Bauch in sein Geschäft kommt, findet sich der Schneider in einer komplizierten Situation wieder, die sich mit dem Mafiageschäft der 1950er-Jahre überschneidet.

Der aus Chicago stammende Krimiautor und Oscar-Preisträger 2011 für das Drehbuch zu dem inzwischen berühmten «The Imitation Game», Graham Moore, hat seinen ersten Spielfilm vorgestellt. Ausserhalb des Wettbewerbs präsentiert und bei dem Berlinale uraufgeführt, ist «The Outfit» von jenem Film-Noir-Dekor durchzogen, das seine Romane so besonders gemacht haben: das der Unterwelt und ihrer gedämpften Strassen. Und wie jede gute Geschichte braucht sie einen Blickwinkel. Es ist also ein Genre, in dem sich der «Der seidene Faden» mit den geschätzten Schauplätzen von Francis Ford Copollas «cornellische» Fabeln vermischt.

Der elegante Mark Rylance spielt einen angesehenen Schneider, der eines Tages einen Mafiaboss zusammennähen muss. Zwei Familien liegen im Krieg miteinander und das Gespenst des «Outfit», einer von Al Capone geführten Organisation, geht um in der Stadt. Bald wird seine Werkstatt zum Schauplatz einer blutigen Abrechnung. Der Kameramann Graham Moore ist ein meisterhafter Regisseur, der sich anmutig auf die Kamera von Dick Pope und die Musik von Alexandre Desplat verlässt, um die Handlung zum Tanzen zu bringen.

Eine Ode an eine Ära und an die Filme, die ihre Legende begründeten. Wenn die Scheren eines Mannes auf die Kugeln eines anderen Mannes treffen, dreht Graham Moore einen clever geschriebenen Gangsterfilm, dem es weder an Humor noch an Eleganz fehlt.

Incroyable mais vrai – Incredible but True

Jungbrunnen im eigenen Keller

74 min | von Quentin Dupieux

© Berlinale

Teresa Vena

Ein Paar entdeckt in seinem Keller ein Tunnel, der sie bei jedem Durchgang um drei Tage jünger macht.

Beim französischen Filmemacher Quentin Dupieux kann man davon ausgehen, dass er einen immer wieder mit einer ungewöhnlichen Idee überraschen wird. Dies löst er auch mit seinem neuen Film wieder ein. Ein mittelaltriges Paar kauft sich ein Haus, das im Keller eine besondere Überraschung bereithält. Im Boden befindet sich ein Tunnel. Wenn man hinuntersteigt, findet man sich in einem anderen Stockwerk des gleichen Hauses wird. Doch es sind inzwischen zwölf Stunden vergangen und man ist drei Tage jünger geworden.

Ohne sich mit langen Erklärungen aufzuhalten, woher dieser Tunnel eigentlich kommt, konzentriert sich Dupieux auf seine Protagonistin, die dem Wahn verfällt, damit ihren Alterungsprozess aufhalten, ihn sogar rückgängig machen zu können. Anhand von Überspitzungen und der Inszenierung absurder Ideen, zu denen auch ein elektrischer Penis gehört, setzt sich der Film mit gesellschaftlichen Konventionen, die sich insbesondere auf Geschlechterrollen, Schönheitsideale und Sozialstatus beziehen, auseinander.

Axiom

Hochstaplersyndrom

108 min | von Jöns Jönsson

© Berlinale

Teresa Vena

Julius ist ein Hochstapler, der sich nichts anderes wünscht, als von seinen Mitmenschen akzeptiert zu werden.

Schon in der ersten Szene, in der Julius mit seinem neuen Kollegen im Museum spricht, und ihm mit seiner selbstsicheren, besserwisserischen Art die ganze Welt erklärt, wirkt etwas faul an ihm. Geschickt nährt der Film dieses Gefühl immer weiter, bis dem Zuschauer, weit vor den anderen Figuren in der Geschichte klar wird, was mit Julius nicht stimmt. Auch wenn man sich mit dem Protagonisten irgendwie identifizieren kann, stösst er einen gleichzeitig ab. Und genau deswegen ist die Figur so interessant, denn sie knüpft offensichtlich an etwas an, das wohl in den meisten von uns vorhanden ist, nämlich der Wunsch nach Zugehörigkeit und die Angst, so wie man ist, nicht genug zu sein.

In erster Linie überzeugt die Tragikomödie durch die schauspielerische Leistung von Moritz von Treuenfels, der die Hauptrolle dieses notorischen Lügners übernimmt. Der Film zeichnet sich durch einen feinen, trockenen Humor und einer präzisen künstlerischen Form aus, die mit reduzierten Mitteln arbeitet.

Und der Goldene Bär 2022 geht an…

Alcarràs

Ein Familienfresko inmitten eines landwirtschaftlichen Märchens

120 min | von Carla Simón

© Berlinale

Théo Metais

Die spanische Filmemacherin Carla Simón hat die Jury unter dem Vorsitz von M. Night Shyamalan mit einem Familienfresko im Herzen ihrer Obstplantagen erobert. Der Film «Alcarràs» kreuzt die Obsternte mit dem einzigartigen Schicksal einer gefährdeten Familie, die sich an ihr Land und ihr Handwerk klammert. Nach «Sommer 93» schöpfte die Regisseurin aus ihrer persönlichen Geschichte, um das Schicksal dieser Familie und ihrer Pfirsichbäume unweit von Zaragoza zu erzählen. Eine Vision des ländlichen Lebens in dieser Ecke Spaniens, als die Pfirsiche keinen Gewinn mehr abwerfen und ein Landwirt ihnen anbietet, ihr Land zu teilen, um dort Solarpaneele zu installieren. Ein Leben, das vom Vater Quimet (Jordi Pujol Dolcet) getragen wird, der sich bei der Ernte verausgabt, mit dem Patriarchen, seinem Schwager, seinen Nachkommen und ein paar Arbeitskräften, die spontan auf dem Dorfplatz angeworben wurden. In den Gassen des Obstgartens sind es drei Generationen, die gemeinsam sorgfältig die Pfirsiche pflücken, und die Grossmutter erzählt in einer Ecke des Rahmens einige Geschichten.

Ein sonnenverwöhnter Film, hier passiert nichts wirklich, und doch. «Alcarràs» öffnet sich zum Land hin, und die Kamera streicht über den Wind und das karge Gestein Kataloniens. Da sind die Kinder, die in einem 2CV-Wrack spielen, und bald wird ihr Spielplatz zerstört; wie ein Vorspiel zum Drama der Familie Sollé, die von der Abschiebung bedroht ist. Einst hatte der Grossvater keinen Vertrag unterschrieben, und der Besitzer flog weg und nahm sein Versprechen mit, das er nach dem Bürgerkrieg gegeben hatte. So leben die Sollés in Verzweiflung, sind geübt im Ernten und haben kaum die Kraft, wenn nicht sogar die Zeit, um mit den anderen in der Kooperative zu rebellieren.

Carla Simón nutzt eine bescheidene, aufmerksame, naturalistische und schlichte Regie, um dieses stille Drama zu erzählen. Diese subtile Erzählung nimmt den Charakter einer grossen Generationenparabel über die Welt der Landwirtschaft und die Krise der Bauern an. Alcarràs beobachtet sich selbst ebenso wie er sich selbst zuhört, inmitten der Kinderreime des Grossvaters und der Verzweiflung der jüngeren Schwester. Die Absurdität eines Geschwisterpaares, das sich abmüht, seine schwindende Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Ein Familiengleichgewicht, dessen Schicksal von vornherein besiegelt ist, das von seinen internen Streitigkeiten zerfressen wird und dessen erste Opfer die hilflosen Kinder sind. So erinnert der Film von Carla Simón an Chloé Zhao und ihre Arbeit in «The Rider». Eine ethnografische Erzählung an der Schwelle zu einer neuen Welt, deren privilegierter Zeuge der Zuschauer wird.

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