Artikel29. September 2023

Wenig zimperlich: 5 Gründe, den «The Boys»-Ableger «Gen V» zu schauen

Wenig zimperlich: 5 Gründe, den «The Boys»-Ableger «Gen V» zu schauen
© Courtesy of Prime Video

Superhelden sind edel und setzen sich selbstlos für die Menschheit ein. Könnte man meinen – ist aber längst nicht immer so. Die Amazon Prime Video Serie «The Boys» etwa zeichnet ein weniger vorteilhaftes Bild der übermenschlichen Retter und lässt die Abenteuer der Marvel-Reihe wie Kindergeburtstage erscheinen. Mit «Gen V» geht nun ein achtteiliger Ableger an den Start. Im Mittelpunkt: Eine junge Frau namens Marie Moreau (Jaz Sinclair), die ihr Blut kontrollieren und als Waffe einsetzen kann.

Text von Christopher Diekhaus

1. Keine Kompromisse

Chance Perdomo als Andre Anderson in «Gen V» © Amazon Studios

«The Boys» hebt sich von anderen Superheldenformaten vor allem durch seine deftige, grafische Gewaltdarstellung ab. Hier wird nicht gezaudert. Es geht ans Eingemachte, im wahrsten Sinne des Wortes. Einen harten Kurs fährt, zumindest in den ersten vier Episoden, auch das Spin-off «Gen V» und dürfte damit die Fans der Ursprungsserie abholen. Penisse explodieren, matschige menschliche Überreste werden aufgewischt und alle nur erdenklichen Körperöffnungen durchbohrt. Zartbesaitete ZuschauerInnen seien eindringlich gewarnt!

Nur weil das Ganze im College-Umfeld spielt und sich um junge Menschen dreht, geht es nicht automatisch zahmer zu. Wer Blut nicht sehen kann und derben Genitalhumor verabscheut, sollte dann doch besser auf die softe Marvel-Variante, Tom Hollands Spider-Man-Filme, zurückgreifen.

2. Schräge Inszenierungsideen

Lizze Broadway, Jaz Sinclair und Maddie Phillips in «Gen V» © Amazon Studios

Eine College voller Nachwuchssuperhelden mit den verrücktesten Fähigkeiten und ungeschönte Gewaltbilder – «Gen V» lädt regelrecht dazu ein, in der Inszenierung ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Die übermenschlichen Kräfte der Figuren ermöglichen reizvolle Perspektiven, etwa wenn Maries Mitbewohnerin Emma Meyer (Lizze Broadway) zusammenschrumpft und aus der Sicht eines Däumlings auf die Welt blickt.

Verrückt ist vor allem der Moment, in dem sie im kleinen Zustand am nun riesig wirkenden Penis eines Mitstudenten herumhantiert. Sichtlich Spass haben die Macher an pubertärer Situationskomik und setzen sich dabei keine Grenzen. Verrückt auch die Einstellung, bei der die Kamera in einen Kopf hineinschaut, der von einem Ohr bis zum anderen in gerade Linie durchbohrt wurde. «Skullfucked» heisst es dazu lapidar in der englischen Originalfassung.

3. Sarkasmus hinter jeder Ecke

Claudia Doumit als Victoria Neuman in «Gen V» © Amazon Studios

Dem Vorbild «The Boys» eifert «Gen V» nicht nur in puncto Härte nach. Auch der aus allen Ritzen triefende Sarkasmus findet sich im Spin-off wieder. Ständig laufen im Hintergrund Werbevideos, die den fortschrittlichen Geist der Godolkin University, die tolle Atmosphäre auf dem Campus und die Erfolgsaussichten der AbsolventInnen anpreisen. Tatsächlich herrscht in der Eliteeinrichtung aber ein Hauen und Stechen um die besten Plätze, ein Kampf um die meisten Likes, um die einprägsamsten Bilder.

Durch den Kakao zieht die Serie untere anderem den Opportunismus und die Heuchelei mancher InfluencerInnen, den Zynismus der PR-Branche, die Sensationsgier der klassischen Medien und das skrupellos eigennützige Verhalten einiger Eltern, die ihre Kinder mit allen Mitteln ins Rampenlicht zerren und sie zu neuen Stars aufbauen wollen.

4. Spannende Nebenfiguren, Beispiel: Emma

Lizze Broadway als Emma in «Gen V» © Courtesy of Prime Video

Marie ist Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Um sie herum gruppieren sich aber einige herrlich skurrile und aufregende Nebenfiguren. Eine davon: Ihre Zimmergenossin Emma, die ständig auf der Grenze zwischen Tragik und Komik wandelt. Allzu oft wird sie bloss auf ihre Schrumpffähigkeit reduziert. Und als nach einem Vertrauensbruch herauskommt, was sie tun muss, um klein zu werden, ist sie noch mehr talk of the town.

Besonders in ihrem Fall steht im Hintergrund ein ernstes Thema, das die MacherInnen hoffentlich bis zum Schluss mit einem gewissen Feingefühl angehen. Gleichzeitig ist Emma aber auch eine echte Stimmungskanone, haut ständig freche, nicht jugendfreie Sprüche raus und wird in Lizze Broadways schwungvoller Performance zu einer Art heimlichem Star der Serie. Ihre Entwicklung in den letzten vier Folgen und ihre Energie dürften noch für einige Akzente sorgen.

5. Geheime Vorgänge im Elite-College

Chance Perdomo, Jaz Sinclair, Patrick Schwarzenegger, Maddie Phillips und Derek Luh in «Gen V» © Amazon Studios

Aussen hui, innen pfui: Der schöne Schein der Godolkin University kann noch so hell strahlen – lange braucht Neuankömmling Marie nicht, um zu erkennen, dass hinter der schmucken Fassade und den Versprechungen gefährliche Triebe wuchern. Sie und ihre FreundInnen bekommen Wind von merkwürdigen Machenschaften im Untergrund, die die Spannung noch weiter ankurbeln dürften.

Warum werden Studierende gefangen gehalten? Welche Ziele verfolgt Vought International, der Konzern, dem das College gehört? Wie tief steckt Dekanin Shetty (Shelley Conn) mit drin? Und welche Rolle spielt der Bruder des ersten Todesopfers, den Emma in geschrumpfter Form besucht? Marie und Co. sind, das unterstreichen einige Dialoge deutlich, einer unheimlichen Sache auf der Spur und müssen sehr wahrscheinlich über sich hinauswachsen, um die bösen Kräfte zu bezwingen.

Hinweis: Diese Kritik basiert auf der Sichtung der ersten vier von insgesamt acht Folgen.

3,5 von 5 ★

«Gen V» ist ab dem 29. September auf Amazon Prime Video verfügbar.

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