Artikel6. September 2023

Bedrückendes Thriller-Puzzle: 5 Gründe, die Netflix-Miniserie «Liebes Kind» zu schauen

Bedrückendes Thriller-Puzzle: 5 Gründe, die Netflix-Miniserie «Liebes Kind» zu schauen
© Netflix

Die Netflix-Miniserie «Liebes Kind» erzählt von der entführten Lena, die zusammen mit ihrer Tochter Hannah ihrem Peiniger entkommt und durch ihre Flucht neue Ermittlungen auslöst. Für die Ermittler beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn Lenas Sohn Jonathan befindet sich noch in der Gewalt des Täters. Wir haben 5 Gründe, warum «Liebes Kind» dich in den Bann ziehen wird.

Text von Christopher Diekhaus

1. Ein Ausgangsszenario mit Sogwirkung

Seraphina Maria Schweiger als Ines Reisig in «Liebes Kind» © Netflix

Geschichten über Menschen, die spurlos verschwinden, über Jahre gefangen gehalten werden, um dann urplötzlich wieder aufzutauchen, kitzeln oft eine seltsame Faszination hervor. Der Fall der entführten Natascha Kampusch etwa machte weltweit Schlagzeilen, hielt die Gesellschaft in Atem – und diente der deutschen Schriftstellerin Romy Hausmann als Inspirationsquelle für ihr Thriller-Debüt «Liebes Kind».

Ebenso wie der Roman hat die Serienadaption ein spannendes Ausgangsszenario zu bieten, das einerseits sehr griffig ist, andererseits aber auch Raum für viele Fragen lässt: Was hat Lena erlebt? Wer ist der Täter? Warum hat er sie verschleppt? Wie konnte ihr die Flucht gelingen? Und was macht ihr Auftauchen mit all jenen, die enger mit ihr verbunden sind? Schon in der Auftaktfolge steigt die Spannungskurve an und fällt in den für diesen Text gesichteten ersten vier Episoden nicht gravierend ab.

2. Überraschungen sind garantiert

Haley Louise Jones als Aida Kurt in «Liebes Kind» © Netflix

Keine Frage, manche Wendungen kündigen sich deutlich an. Und einige Twists sollte man nicht zu genau auf ihre Logik oder Glaubwürdigkeit hin abklopfen. Im Verlauf der ersten vier Serienkapitel gibt es aber durchaus ein paar Handlungsvolten mit beachtlicher Wirkung.

Dass es am Ende der zweiten Episode zu einem Fiasko kommen wird, lässt sich zwar erahnen. Weil man mit der engagierten Aida Kurt (Haley Louise Jones) mitfiebert, landet «Liebes Kind» an diesem Punkt dennoch einen Treffer. Überraschungen tun sich auch bei den Beziehungen der Figuren auf. Nicht alles ist in dieser Geschichte so, wie es am Anfang scheint.

3. Puzzle aus verschiedenen Perspektiven

Kim Riedle als Lena in «Liebes Kind» © Netflix

Reizvoll ist auch, dass «Liebes Kind» aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und etwa den Blickwinkel der zwölfjährigen Hannah (Naila Schuberth) einnimmt. Ein Mädchen, das von den knallharten Regeln des Entführers stark geprägt ist, in den Befragungen die Wahrheit geschickt verschleiert und sich möglicherweise in trügerische Erinnerungen flüchtet. Lena (Kim Riedle) wiederum ist schwer gezeichnet von den Jahren der Gefangenschaft, körperlich und seelisch versehrt, wird ständig von peinigenden Rückblicken übermannt.

Eine wichtige Rolle spielt nicht zuletzt das Erleben der Ermittler und von Lenas Eltern Karin (Julika Jenkins) und Matthias Beck (Justus von Dohnányi). Auch wenn es hier nie so stark in die Tiefe geht wie beim thematisch verwandten Drama «Raum», bemüht sich die Serie, traumatische Erfahrungen greifbar zu machen. Allzu reisserisch wird es nicht, was angesichts der Prämisse keineswegs selbstverständlich ist.

4. Effektive Inszenierungskniffe

Sammy Schrein als Jonathan in «Liebes Kind» © Netflix

Dass «Liebes Kind» hier und da atmosphärisch ordentlich auftrumpfen kann, hängt mit einigen gelungenen Inszenierungsideen zusammen. In einer Passage zum Beispiel versetzt sich der durch den Fall erschütterte LKA-Beamte Bühling in das Leben der gefangen gehaltenen Kinder, taucht mit ihnen in den Alltag ihres Kerkers ein, sieht ihnen unter anderem beim Zähneputzen zu. Momente wie dieser irritieren und vermitteln ein mulmiges Gefühl.

Wie selbst unter widrigsten Umständen die menschliche Fantasie zu einem Rettungsanker werden kann, unterstreicht eine andere Szene: Als Lena, Hannah und Jonathan in ihrem Gefängnis auf dem Sofa sitzen und so tun, als würden sie mit einem Flugzeug zu den Paradiesinseln abheben, schwebt die Couch auf einmal tatsächlich durch den Raum. Nicht gerade sehr raffiniert, aber hocheffektiv ist vor allem dieser Kniff: Immer wieder taucht die mahnende Stimme des Entführers im Kopf seiner Opfer auf. Auch in Freiheit hat er nach all den Jahren des gnadenlosen Drills noch grosse Macht über Lena und die Kinder, gibt ihnen vor, was sie erzählen und verschweigen sollen.

5. Überzeugende Darstellende

Julika Jenkins als Karin Beck und Justus von Dohnányi als Matthias Beck in «Liebes Kind» © Netflix

Mit Kindern zu drehen, kann ganz schön knifflig sein. Manche Jungdarstellende spielen nämlich arg gekünstelt, was ihren Szenen einiges an Ausdruckskraft raubt. Nicht so Hannah-Darstellerin Naila Schuberth, die in «Liebes Kind» eine reife Leistung abliefert. Erstaunlich natürlich legt sie ihre Rolle an und strahlt genau das richtige Mass an Undurchschaubarkeit aus.

Hervorheben ist neben Kim Riedle in der Rolle der schwer traumatisierten Lena Haley Louise Jones mit einem spannenden Balanceakt zwischen Empathie und Energie. Als aus der Kurve geworfener Ermittler überzeugt ferner Hans Löw. Und nicht fehlen darf in dieser Auflistung Justus von Dohnányi, der als Vater der Entführten glaubhaft zwischen Verzweiflung und Getriebenheit changiert.

3,5 von 5 ★

«Liebes Kind» ist ab dem 07. September auf Netflix verfügbar.

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